Volumen 7 - kultur 79 - Oktober 2011

Pigor und Eichorn im Haus der Springmaus: Volumen 7

Pigor und Eichhorn zu Gast in Bonn – immer wieder ein Event, vor allem für langjährige Fans.
Pigor singt, und Eichhorn muss begleiten heißt es stets. Beim neuen Volumen 7 begleitet Eichhorn an einem E-Piano aus dem Jahr 1965. Hinzu kommen zwei waschechte Jazz-Musiker: Emanuel Hauptmann an den Drums und Stephan Gocht an der Tuba.
So sind die unbedingt zum Programm gehörenden „Machtverhältnisse” diesmal anders gelagert: Nicht mehr Pigor, der Eichhorn gelegentlich das Leben schwer macht; vielmehr sind es die beiden Jazzer, die von Pigor und Eichhorn milde lächelnd beobachtet werden – zugleich voller Bewunderung für ihr künstlerisches Tun, aber zweifelnd an deren Sozialkompetenz. IPhone-süchtig scheinen sie zu sein – Handy-Spiele während Pigors Solos... Unglaublich – wenn Eichhorn die Abhängigkeit von der neuen Technik nicht genauso zu spüren bekäme – muss er doch dringend etwas ersteigern und die Frist endet nun mal jetzt, während der Vorstellung.
„Cool Cabaret” nennt Thomas Pigor seine Art der Musik-Kunst.
Cool sind die vier optisch: Pigor im weißen Anzug, darunter weißer Rollkragen, die drei Herren in anthrazit-farben glänzenden Anzügen mit lila Hemd.
Cool auch die Musik. Hip-Hop-Jazz?
Und die Themen? Nicht cool, sondern einmalig speziell: Lieder über am Tisch zurückgelassene Nichtraucher als „Platzhalter”, olfaktorischen Landfriedensbruch („Zu viel Parfum”), das nicht mehr vollständige Ich nach Raub der Festplatte („Robby Longfinger”) oder ein Aufruf zum Widerstand gegen jegliche Bürokratie („Anticonformistic”).
Im Gegensatz zu vorherigen Programmen wird wenig Wert auf eingängige Melodien gelegt. Pigor spricht das Publikum direkt an, fast dialogsuchend, Sprechgesang, manchmal nur ein Wispern, wie bei „Katholische Kirche im Jahr 2019”. Was würden die Seelen der verstorbenen Priester tun, erführen sie, was alles plötzlich erlaubt ist: alles was Spaß macht, Dinge für die sie in die Hölle gekommen sind?
Dass Pigor und Eichhorn auch andere Rhythmen können, mit unverhohlener Ironie, zeigen sie mit Liedern im Volkslied-Rhythmus („Au”) zum Pigor-eigenen Schnellsprechgesang und eigenwilligem Tanz, kurz ‚Kult in der Steigerungsform‘.
Fraglich ist, wie dieses Volumen auf jemanden wirkt, der nicht frühere Programme zur Übung kennengelernt hat. Auf jeden Fall erfordert es große Freude an Skurrilem!
Ein kleiner Test kommt im zweiten der drei (!) Programmteile: Die Sparte für das englischsprachige Publikum – konsequent in der Bundesstadt durchgezogen, obwohl garantiert kein des Deutschen nicht mächtiger Gast im Publikum war. Aber das Ganze ist Programm: „The language of Shakespeare” sei die, die jeder halbwegs verstehe – außer wenn sie ein „native speaker” spreche. Sprachtalent Pigor – der seine Programme auch auf Französisch aufführt – zeigt den Anglophonen, dass ihre Sprache lediglich die Grundlage für die internationale Kommunikation via „Global Pidgin” ist. Beeindruckend auch, wie Pigor in der ihm eigenen Weise das R auch im Englischen rollt.
Danach gibt’s Wodka fürs Publikum, spendiert von Eichhorn – ehe es mit dem dritten Teil weitergeht, in dem auch die Jazzer ein beeindruckendes Solo geben.
Unverbesserlich zum Schluss: „Rheinländer” (Volumen 4) und „Kevins” (Volumen 6) als Zugabe! Ja, die Redaktion outet sich als Mitglied der Fangemeinde... J.S.

Samstag, 04.02.2012

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