Schlagerraketen - kultur 79 - Oktober 2011

Schlagerraketen von Familie Malente im Kleinen Theater: Wirtschaftswundervolles deutsches Liedgut

Schon zum fünften Mal ist die kultige Hamburger „Familie Malente“ jetzt im Kleinen Theater zu Gast und zündet augenzwinkernd ihre Schlagerraketen. Wobei niemand so schön die Augenbrauen über der Hornbrille tanzen lassen kann wie Vico Malente, der eigentlich Knut Vanmarcke heißt und als rasender Reporter Rudi Rehfeld in Rimini das Strandleben erforscht. Wobei die schönen Beine von Dolores eher die Costa Brava unsicher machen. Weshalb Reporterkollege Willi Heiter, alias Peter Malente, der eigentlich Dirk Voßberg heißt und bei dem schrillen Showspaß Regie geführt hat, schon mal Tanzstunden nimmt bei dem strengen Fräulein Mina (Christin Deuker, die schon seit Mit 17 hat man noch Träume zum Malente-Ensemble gehört). Im engen grauen Bleistiftrock mit braver rosa Schleifenbluse abzurocken, ist ebenso eine Kunst wie die tänzerisch virtuose Fähigkeit aller, immer so präzis zu stolpern, dass Schrecksekunden mit einem frechen Grinsen enden. Wenn sich ab und zu ein Schlagerversfuß knapp unter die Gürtellinie verirrt, wird das charmant abgefangen und ans amüsierte Publikum weitergespielt.
Die Malentes präsentieren ihre Hit-Zeitreise ja nicht nur als naiv nos­talgischen Rückblick, sondern mit der ironischen Distanz des 21.Jahrhunderts. Da wird die Bühnengestik der einstigen Stars ins Groteske hochgetrieben und tränenseliges Pathos zur skurrilen Hüpfnummer. Da rauschen die Petticoats noch üppiger als in den Golden Fifties (an den atemberaubend schnell wechselnden bunten Kostümen und Perücken hat die vierköpfige Truppe nicht gespart und ihre brillante Licht- und Tontechnik gleich mitgebracht), bis beim „Babysitter-Boogie“ schlaflose Nächte drohen.
Als Connie Francis oder Mireille Mathieu bleibt Fräulein Conny (mit großer Musicalstimme und zierlicher Figur: das blutjunge neue Familienmitglied Christina Schulz) keinem braven Seemann und keinem „Speedy Gonzales“ was schuldig. Wenn sie mit ihrer Kollegin in einem perfekt verkorksten Medley so ziemlich die gesamte internationale Matrosenromantik Lügen straft, können die schicken Reeperbahnkapitäne in der Haifischbar nur noch zum Wisch­mopp greifen.
Zuvor haben die Herren als Förster im Silberwald sogar zum ersten Mal ihren scheckigen Familiendackel auftreten lassen. Das Hündchen jault ohne Gage ganz genau im Rhythmus und hat offensichtlich Spaß am elektronisch aufgepeppten Livegesang seiner Freunde. Die weißen Pudel der sächselnden Jacob-Sisters wären glatt auf Torries Bellcanto (!) abgefahren, wenn mit „Zwei Apfelsinen im Haar und an der Hüfte Bananen“ nicht „Mr. Moon und Lady Sun“ sich ständig verpasst hätten. Im kalifornischen „Mendocino“ werden Kaugummi-Fäden gesponnen, bis das Sandmännchen die TV-Werbeblocks abschaltet und das HB-Männchen vor Saubermann Ariel auf den Mond flieht. Wem nach Adelheids unwiderstehlich albernem Gartenzwergmarsch nicht die Lachtränen fließen, muss halt warten auf Heintjes „Mama“, der Vico in kurzen Hosen ein solch gruseliges Ständchen bringt, dass man sich als „Souvenir“ eher Eddies Pistole wünscht.

Die neue Malente-Show ist so witzig abgefahren, dass Leute aus der Beatles-Anfangs-Zeit daran ebenso ihre Freude haben können wie deren Enkel. E.E.-K.
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Spieldauer ca. 2½ Stunden inkl. einer Pause.
Im Programm leider nur noch bis zum 3.10.2011

Samstag, 04.02.2012

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