LooLooLoop - kultur 102 - Januar 2014

LooLooLoop im Theater im Ballsaal: Versuch über Zeit und Wiederholung

Immer wieder dieselbe Situation: Der Mann, Handelsvertreter, abends im Auto auf dem Heimweg. Eine Flasche Sekt und Blumen im Kofferraum wie stets zum Hochzeitstag. Die Frau hat gekocht und ist in den Garten gegangen, der am Morgen mit Raureif bedeckt war. „Ich war weit weg“, sagt er. „Du bist in jedem Jahr ein Stückchen weiter weg“, antwortet sie.
Das neue Stück LooLooLoop von Lothar Kittstein erzählt keine Geschichte, sondern folgt der Repetitionsstruktur musikalischer Loops. In der Choreographie und Regie von Rafaële Giovanola und Frank Heuel wird die Differenz zum szenischen Akteur. Kleine sprachliche Varianten brechen die imaginierten zeitlosen Momente auf und lassen Vergangenheit ins Jetzt fließen. Ein schwarzes Tier kreuzt die Straße, deren Leuchtstreifen auf den Mann am Steuer zulaufen statt hinter ihm zu bleiben. Hat er es überfahren? Schmort dessen Fleisch in der Küche, während die Frau nicht mehr weiß, ob sie die Herdplatte überhaupt angestellt hat? Gibt es ein ungeborenes Kind, das das Paar heimsucht? Ist die Frau aus dem Garten geflüchtet und von einem Auto angefahren worden? Vieles ist vorstellbar in dieser antinarrativen Bühnenhandlung, die so nüchtern objektiv passiert wie die subjektlose Künstlichkeit in den Meisterwerken des „Nouveau Roman“.
Im silbergrau schimmernden Kleid (Kostüme: Annika Ley) spielt Bettina Marugg die rätselhaft kühle Frau wie festgefroren in einem Albtraum. Der jede Nuance nutzende Stefan Preiss ist der Mann, der an den brüchigen Fäden seiner Existenz zappelt. Im langen schwarzen Mantel geistert die brillante Tänzerin Fa-Hsuan Chen durch die seltsamen Beziehungstrümmer. Die jungen Tänzer Laure Dupont und Andrés García nähern sich dem entfremdeten Paar, geben ihm Bewegungen vor, ziehen es in neue Aktionen und entwi­ckeln einen körperlichen Spiegelkommentar zu den Satzsprüngen des Textes. An den Platten mit der Musik von einst scratchen alle herum, setzen sich Kopfhörer auf und spielen mit dem Unhörbaren in der Tonspur der unerhörten Begebenheiten.
LooLooLoop ist ebenso surreal komisch wie verstörend. Rot leuchtet der Abendhimmel, bevor es Nacht wird über der Straße und eine unvermeidliche Kurve für einen fatalen Augenblick aus der Vergangenheit Zukunft macht. Nur die Gegenwart bleibt beständig durch die Wiederholung in einem nüchternen Hohlraum, in dem die handelnden Subjekte kaum noch fassbar sind. Bei der restlos ausverkauften Uraufführung zur Eröffnung der Jubiläumswoche zum 20-jährigen Bestehen des Theaters im Ballsaal war der Beifall für diesen irritierenden Theater-Essay zur unüberwindlichen Wiederkehr des Immergleichen genau so überzeugend wie für das exzellente Ensemble. E.E.-K.

Spieldauer ca. 1 Stunde,
keine Pause
Die nächsten Aufführungen:
17.01. / 18.01. / 19.01.14

Donnerstag, 30.01.2014

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