Eltern - kultur 100 - Dezember 2013

Eltern in den Kammerspielen – Kinder und Nebenwirkungen

Bis so ein Menschenjunges schlüpft, gibt’s viel zu tun. Natürlich sind heutzutage die Herren der Schöpfung aktiv beteiligt beim Geburtsvorbereitungskurs mit Beckenbodentraining und Atemübungen. Schließlich ist das Projekt Kind eine große Aufgabe angesichts von Bevölkerungsschwund und wachsenden Scheidungsraten. In den Kammerspielen singen sie nicht nur ein Liedchen von den Freuden und Nöten der Paare, deren Leben sich grundlegend verändert, wenn ein Baby unterwegs ist. Und sie singen richtig gut in der Eltern-Show, die Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp aus Hamburg – mit einer neuen Besetzung der Rollen und einer kleinen Verschiebung des Lokalkolorits – nach Bonn mitgebracht hat.
Regie hat wie bei der Uraufführung der Autor Franz Wittenbrink geführt. Sein Stück ist ein typischer Wittenbrink-Liederabend: Eine amüsante Revue, in der sich flott Szene an Szene reiht und alle Musikstile von Pop bis Mozart durcheinander wirbeln. Sehr vergnüglich ist z.B. das Papageno/Pagagena-Duett von Robert (Benjamin Grüter) und Beate (Mareike Hein) im Babysachen-Kauf­rausch. Die Hansens leben mit ihrem Wunschkind vegan, umweltbewusst und kulturaffin in der Südstadt. Standesgemäß im Bad Godesberger Villenviertel wohnt das Ehepaar Werdenfels. Für Jochen (Robert Höller) gehören Kinder zu den Soft-Skills eines exzellenten Lebenslaufs, wie das lesenswerte Programmheft verrät. Mit seinem kleinen Sohn Jakob telefoniert er regelmäßig von den großen Städten aus, in die ihn seine internationalen Dienstreisen immer häufiger führen. Seine Frau Sabine (Lydia Stäubli) schätzt sorgfältig organisierte Arbeitsabläufe, was auch nötig ist im Dienst für ihr selbstverständlich hochbegabtes Kind.
Malte Focke (Roland Silbernagl) wäre zwar lieber Rocker geworden als Zahnarzt, braust aber immer noch gern in Lederkluft mit seinem Motorrad durch die Eifel. Leider immer seltener zusammen mit seiner Frau und Praxishilfe Kerstin (Sandra Maria Schöner, die auch als Grundschullehrerin gute Miene zu den elterlichen Kindereien macht). Born to be Wild war gestern – von Windeln verweht nach der Geburt von Taylor. Bei Frankie (Jonas Minthe) und Jessy (Maya Haddad) war die Schwangerschaft eher ein Unfall. Arbeit ist sowieso nicht Frankies Ding und ein krähendes Baby für einen jungen Kerl wie ihn völlig uncool. Kein Wunder, dass es Jessie einfach zu viel wird und sie auf Red Bull mit Wodka steht.
Wir haben also das ganze bekannte Typenarsenal der neuen Eltern, die Kämpfe um den besten Platz im Kindergarten, die Sticheleien in der Elternpflegschaft, die Beziehungskrisen und all die anderen Höhenflüge und Tiefpunkte, die das Familienleben so mit sich bringt. „Deine Mutter bleibt immer bei dir“, verspricht Roberts liebevolle Erzeugerin Mechthild Hansen. Zu beneiden ist er deshalb wohl kaum. Freuen kann sich das Publikum allerdings darüber, dass die Schauspielerin Therese Hämer nach etlichen Jahren wieder hier gastiert. Als Hebamme, Sexualtherapeutin (Sexy Motherfucker) und Superoma ist sie ein spezielles Ereignis. Auf die Habenseite der Produktion gehört ganz entschieden auch die musikalische Leitung von Markus Schinkel, der in der tollen Band selbst mitspielt.
Tja, und am Ende sitzen all die alt gewordenen Mütter und Väter im Seniorenheim und fragen sich: Baby, wo ist mein Baby. Ihre Kinder sind nun selbst Eltern und haben keine Zeit mehr für die vorige Generation. Sie müssen schließlich wieder behaupten Mein Kind ist geiler als dein Kind! Dieser Song ist der Hit des Abends. Kinder müssen nicht unbedingt perfekt sein und der ganze Stolz ihrer Full-Time-Versorger. Ein wenig gelassener pädagogischer Humor täte vielen Eltern gut. Auf deren Lernfähigkeit kann man sich zwar nach dem heiteren Blick ins heutige Familienleben nicht ganz verlassen, darf aber die witzigen musikalischen Arrangements und lustigen Neuinterpretationen bekannter Songs ohne viele Hintergedanken einfach genießen.
E.E.-K.
Spieldauer ca. 2 Stunden,
keine Pause

weitere Termine:
1.12./7.12./20.12./31.12./30.01.

Dienstag, 14.01.2014

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