Fahrerflucht - kultur 59 - Oktober 2009

Don’t worry, be happy: Fahrerflucht - Premiere des Pantheon-Ensembles
im Pantheon


Mit seinem ersten Stück bietet das von Hausherrn Rainer Pause neu gegründete Pantheon-Ensemble originelle und amüsante Einbli­cke in den speziellen Bonner Kleinkosmos mit tagesaktueller Würze. Regisseur Hans Kieseier (seit 1998 Regisseur der Kölner Stunksitzung) präsentiert ein mit dem Ensemble erarbeitetes Kabarett-Theaterstück des TV- und Kabarett-erfahrenen Schauspielers, Regisseurs und Autors Thomas Lienenlüke:
Wir befinden uns im Wahlkampf. Für uns im Bundestag, wie sie nicht müde wird, zu betonen, ist Brigitte Günzel-Umbach, CDU (Tanja Haller, Theater- und TV-Schauspielerin, Sängerin und Musikerin). Fragen nach ihrer zweifelhaften Biografie mit heftigen Pendelbewegungen in die Lager fast aller Parteien beantwortet sie strahlend mit einem schwungvollen Song: „Ich bin korrupt, ich bin beliebt, das ist die Mischung, die es nur im Bundestag gibt...”
Ihren ihr schon an Körpergröße unterlegenen Referenten Andreas Breuer (Massimo Tuveri, *1966 auf Sardinien, freier Schauspieler, Autor und Regisseur, auch als Pink-Punk-Pantheonike bekannt) hat sie rhetorisch locker im Griff. Nur nicht immer gut genug unter Kontrolle: Nach einem die Leber herausfordernden Wahlkampftag („in der Kommunalpolitik ist Bürgernähe gleich Alkoholismus”) hat er mit ihrem Dienstwagen einen Unfall verursacht. Zwar plädiert Breuer sofort auf Mitschuld des Opfers: „Du bist dunkel und hast dunkle Sachen an”, doch das nützt erstmal wenig, der Verletzte ist tot, und Breuer begeht Fahrerflucht.
Kann das sein? Das nach wenigen Minuten verunglückte Opfer war doch die charismatische Hauptfigur des Stücks gewesen: Otto Umbokko im knallgrünen T-Shirt, mit langhaariger Afro-Perücke und reinstem rheinischen Dialekt (Dave Davis, *1973 in Köln, Prix-Pantheon-Publikums- und Fernsehpreis-Gewinner 2009, Kabarettist, Comedian und Musiker ugandischer Abstammung). Trotz 168-Stunden-Woche aufgeteilt auf vier Jobs hatte er gut gelaunt „Don't worry, be happy” auf der Orgel in „Manfreds Schnitzelparadies” gespielt. Nur schade, dass Manfred (Hans Holzbecher, Theater-, Musical- und Filmschauspieler und Regisseur) den Radio­knopf an der Orgel entdeckt und Otto daraufhin aus Sparsamkeit entlassen hatte. Und nun war Otto auf dem Heimweg – oder vielmehr auf dem Weg zum nächsten Job – gewesen...
Hier beginnt der Kriminalfall, den ein neurotischer Kommissar (Tuveri) lösen muss. Obwohl das Publikum schon weiß, wer der Täter ist, bleibt das Stück spannend und dank diverser aktueller Anspielungen witzig und nicht ohne kabarettistische Gesellschaftskritik.
Und keine Sorge, Ottos Schicksal ist noch nicht besiegelt, und seine auch von Davis verkörperten Brüder Heinz (Senior Consultant, englischsprachig, mit umwerfendem Kostüm:? er offenbart ein nur aus Brust- und Kragenteil bestehendes Hemd über einem T-Shirt unter dem Business-Anzug!) und Motombo (derzeit Toi­let­ten­mann, mit afrikanischem Slang – Davis’ Rolle für seinen Prix-Pantheon-Auftritt) sind nicht minder originell. Letzterer führt mit Otto ein Voodoo-Telefonat, allerdings mit Tücken: „Prepaid-Voodoo: Karte leer“.
Insgesamt bringt das vierköpfige Ensemble 14 Figuren auf die Bühne, unverwechselbar durch Kostüme und Spracheigenheiten.
Situationskomik gelingt auch durch überraschende Desillusionierung:?So rückt die Laterne zum Unfallopfer, da dieses dem gefrus­teten Mediziner (Holzbecher), der das Bergen des Toten lieber dem nächsten Passanten überlassen möchte, zu schwer zu tragen ist. Besonders gelungen auch der Dialog Breuers mit seiner Schlafzimmerwand, die „Lalelu“ gegen die Schilderung seiner Erfolgsgeschichte ansingt, die niemand, weder seine Frau noch die Wände seiner Wohnung, mehr hören möchte.
Bonner Tagespolitik kommt auch nicht zu kurz: So diskutiert man über die WCC-Bauruine im Jahr 2056, die nicht abgerissen werden darf, wobei sich ein gewisser HArald RIemenschneider BOchum als unseriöser Finanzierer erwiesen hat...
Das vielseitig talentierte Ensemble beweist große Spielfreude, ist – bis auf ein paar gut überspielte nicht ganz gelungene Einsätze bei der Premiere – bestens aufeinander abgestimmt und wird hoffentlich neben Pause und Alich zu einer Institution des Pantheons werden. J.S.

Aufführungsdauer: ca. 2¼ Std., eine Pause

Donnerstag, 04.02.2010

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