Das geheime Tagebuch der Carla Bruni - kultur 59 - Oktober 2009

Die Frau des Präsidenten: Das geheime Tagebuch der Carla Bruni in der Pathologie

In der französischen Satire-Zeitung „Le Canard enchaîné“ erscheinen schon seit dem berühmten Ausflug des frisch verliebten Paares Carla Bruni/Nicolas Sarkozy ins Pariser Disneyland wöchentlich auf der Titelseite die Notizen der seit dem 2. Februar 2008 mit dem französischen Staatspräsidenten verheirateten italienischen Popsängerin. Beim diesjährigen Off-Festival in Avignon zeigte sich der bis dahin anonyme Autor der beliebten Serie sogar öffentlich an der Seite eines männlichen (!) Carla-Doubles und bestritt selbstverständlich die guten Kontakte der frechen Ente („Canard“) zur Presseabteilung des Elysée. Es ist gewiss auch nicht alles wahr, was die deutsche Journalistin Silke Burmester, die angeblich den „Canard“ noch nie gelesen hat, in der „TAZ“ regelmäßig dem mehr oder minder intimen Tagebuch der Première Dame Frankreichs anvertraute und inzwischen auch als Buch veröffentlichte.
Maren Pfeiffer, seit kurzem Leiterin des Bonner Kellertheaters „Die Pathologie“, hat in ihrer ersten eigenen Regiearbeit Burmesters Geheimes Tagebuch der Carla Bruni dramaturgisch geschickt konzentriert. Zumal die medienwirksame Love-Story zwischen der schönen, reichen „Kaviarkommunistin“ und dem nicht ganz so schönen Staatsmann ohnehin brillantes realpolitisches Profitheater ist. Pfeiffer lässt die naiv lebenslustige Carla durchaus nachdenklich ihre Rolle an der Seite des mächtigen Politikers reflektieren.
Die in Köln lebende französische Schauspielerin Aurélie Thépaut (demnächst übrigens in Sartres neu besetzter Geschlossener Gesellschaft zum ersten Mal im Euro Theater Central zu sehen) verkörpert die offenherzige Tagebuchschreiberin perfekt. In knappen weißen Shorts und rotem T-Shirt amüsiert sich die reizende Brünette über die Avancen des „kleinen Präsidenten“, dieses „süßen, spießigen Emporkömmlings“. Immerhin hat sie an vorders­ter Front gegen seine reaktionäre Politik demonstriert, bevor sie seinem unbeholfenen „Bling-Bling“-Charme erlag. Klar: Ein „Mann mit Atommacht“ ist ein echtes Sammlerstück in ihrer ansehnlichen Liebhaber-Kollektion. Wegen unübersehbarer Längenunterschiede gleich auf flache Ballerinas umzusteigen, hat freilich eine fast schon tragische Fallhöhe.
Thépaut denunziert ihre Theaterfigur nicht; sie hüpft leichtfüßig über politische Fettnäpfchen, taumelt am Ende hilflos gegen Palastwände und meidet irgendwann Pariser Autotunnels aus guten Gründen. Ihre putzige, selbst gebas­telte Nicki-Puppe wird zum echten Dialogpartner im monomanischen Trubel der politischen Selbstdarsteller. Zugegeben: Der poetische Vergleich ihres Liebsten mit kolumbianischem Mohnextrakt und die Abkanzelung des „deutschen Walrosses Angela“ waren echte diplomatische Faux-Pas. Wer wissen möchte, was z.B. bei der Begegnung mit Obama oder dem Dalai Lama geschah oder warum Nicolas bei einer Papstaudienz immer auf sein Mobiltelefon schielte, ist bei diesem höchst vergnüglichen, natürlich völlig fiktiven Blick ins Herz der Soap-Opera-Politik bestens aufgehoben. Und darf sicher sein, dass Carla an der Seite ihres Sonnenkönigs nie wieder kokst, ih-

ren Sohn zweimal pro Woche im Internat anruft und alle teuren Parfüms, die sie doppelt hat, an Bedürftige verschenkt.

Ca. 1 ¾ Stunden, eine Pause (bei italienischen Temperaturen unvermeidlich, bei nordfranzösischen u. U. entbehrlich). E.E.-K.

Donnerstag, 04.02.2010

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