Cocktail für eine Leiche - kultur 59 - Oktober 2009

Stilvoll morden - Cocktail für eine Leiche im KleinenTheater

Geld oder Gefühle als Mordmotiv sind absolut stillos. Ein schöner Mord ist zweckfrei wie ein Kunstwerk. Ein perfekter Mord bleibt naturgemäß ein einmaliges ästhetisches Ereignis, bedarf jedoch wie jedes Meisterwerk der feierlichen Besichtigung. Die amerikanischen Studenten Brandon Shaw und Philip Morgan haben deshalb nach dem finalen Verschwinden ihres Kommilitonen David Kentley in einer antiken italienischen Truhe gute Freunde zu einer ­Party eingeladen. Schließlich soll David im Kreise seiner Lieben die ewige Ruhe finden und den Schöpfern seiner letzten Momente einen klammheimlichen künstlerischen Triumph verschaffen.
Der brutale Mord kommt in der geistreichen Inszenierung von Ralf Budde im Kleinen Theater nur kurz im Zwielicht auf die Bühne, bevor das Ergebnis mit edlem Champagner begossen wird. Cock­tail für eine Leiche war Alfred Hitchcocks ers­ter Farbfilm und basiert auf Patrick Hamiltons Roman The Rope, der das mäßig kreative Werkzeug bereits im Titel führt. Ein banaler Strick gehört ziemlich sicher weder zum Lebensumfeld noch zum aktiven Wortschatz im feinsinnigen US-Oberschichtmilieu, wo Studenten in Nadelstreifen-Anzügen den Preis für einen Doktorhut zwischen Harvard und Princeton selbst aushandeln und sich eine elegante Wohnung mit bester Aussicht (Ausstattung: Darko Petrovic) leisten können. Und eine unerschütterlich tüchtige Haushälterin wie Mrs. Wilson (spielerisch sehr präsent: Ursula Michelis), die das kalte Büffet etwas unwillig auf einer Truhe anrichtet, die nach ihrem untrüglichen Geschmack wie ein Sarg aussieht.
Christian Meier spielt exzellent den brillanten Brandon, den intellektuellen Drahtzieher des makabren Spiels, als typischen Vertreter des nordostamerikanischen Bildungsbürgertums: wortgewandt, unwiderstehlich arrogant und zutiefst herzlos. Der sensible Philip, hervorragend verkörpert von David Imper, ist dessen amoralischem Perfektionismus nicht ganz gewachsen und wird nach etlichen ‚letzten’ Drinks gefährlich gesprächig.
Um das Vergnügen so prickelnd zu machen wie den reichlich ausgeschenkten Champagner, hat Brandon seine ehemalige Flamme Janet Walker (entzückend: Christina Hartmann) zum Cocktail gebeten, die mit dem naturgemäß eingeladenen, langsam erkaltenden David verlobt ist, aber das Zwischenspiel mit Kenneth (sehr charmant: Moritz Bürkner) keineswegs vergessen hat. Es gibt gute Gründe dafür, dass Brandon dem blonden Herzensbrecher neue Hoffnungen macht. Davids sympathischer Vater (Rainer Hannemann) hat überraschend nicht seine Gattin, sondern seine attraktive Schwägerin (leicht überdreht: Petra Blossey) mitgebracht, wird aber in Brandons opulenter Bibliothek glück­lich.
Selbst der alte Highschool-Lehrer Rupert Cadell taucht bei der feuchtfröhlichen Party auf, dessen inspiriertem Unterricht die beiden Mordkünstler etwas zu fleißig gefolgt sind. Claus ­Wilcke (von 1969 bis 1972 der tollkühne Percy Stuart im ZDF; privat feierte der beliebte Schauspieler kürzlich nicht nur seinen 70. Geburtstag, sondern auch seine vierte Eheschließung) spielt die Rolle des jovialen Philosophen und hellsichtigen Zynikers mit Bravour. Trotzdem muss er am Ende zugeben, dass Morden keine lebendige Kunstform ist. Selbst wer den Film kennt, sollte die kurzweilige Krimikomödie mit geistigem Mehrwert nicht verpassen. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 1¼ Std., keine Pause
Im Programm bis: 29.10.09
Nächste Vorstellung: 3.10.09

Dienstag, 02.02.2010

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 25.04.2024 16:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn