Lieblingsmenschen - kultur 45 - März 2008

Leben im Provisorium - Lieblingsmenschen von Laura de Weck im Euro Theater Central

Die Zukunft ist diffus, Nahziel ist die nächste Prüfung. „Ihr habt keinen Furz Romantik, ihr habt nur Prüfungsangst“, sagt Darius einmal. Mit der großen Sehnsucht nach der Erkenntnis und dem romantischen Traum von der blauen Blume kommt man an heutigen Massenuniversitäten nicht mehr sonderlich weit. Die Twenty-Somethings in dem Stück Lieblingsmenschen versuchen, sich zwischen Studium und wech­s­elnden Beziehungen zu orientieren und verheddern sich ständig zwischen Dauerkommunikation und Sprachlosigkeit. „Macht’s Spaß?“ gehört zu den Lieblingsfloskeln ihrer Small-Talk-Begegnungen, bei denen sie sich außer „Hey“ und „Hallo“ nicht viel zu sagen haben.
Die 26-jährige Schauspielerin und Autorin Laura de Weck (aufgewachsen in Paris, Hamburg und Zürich, derzeit engagiert am Jungen Schauspielhaus Hamburg) zählt seit der Uraufführung von Lieblingsmenschen 2007 in Basel zu den erfolgreichsten Debütantinnen der deutschsprachigen Theaterszene. In ihrem ersten Drama liefert sie ein präzises und durchaus amüsantes Porträt ihrer eigenen Generation. Deren Schwebezustand untersucht jetzt im Euro Theater Central der junge Regisseur Jan Steinbach, der bereits mit zwei Inszenierungen am Staatstheater Wiesbaden auffiel.
Ausstatter Franz Dittrich platziert das Publikum dicht an den mehr oder minder stabilen Umzugs- und Beziehungskisten der fünf Figuren. Eigentlich sind es sechs, aber Philip taucht nicht auf in der lockeren Szenenfolge. Der junge Mediziner lernt zielstrebig und lebt seit sechs Jahren mit Anna zusammen, was dieser die Bewunderung und das Mitleid ihrer Kommilitonen sichert.
Die schüchterne Psychologiestudentin Lili (Sandra Kouba) möchte echt verführt werden, weiß jedoch nicht wie. Die kesse, zickige Schauspielstudentin Jule (Laura Weider, am Euro Theater derzeit auch in Brennende Geduld zu sehen) treibt sich munter durch diverse Betten. Die Philosophiestudentin Anna (Ivana Langmajer) vergräbt sich tapfer in die ästhetische Theorie. Quasselstrippe Sven (Frank Musekamp, zuletzt in Bonn als durchgeknallter stummer Diener in Mirandolina im Kleinen Theater zu sehen) studiert vor allem die Mädchen, ist bei ihnen jedoch nicht der Hit. Frauenschwarm Darius (Thomas Hatzmann) scheitert an seiner Juraprüfung, tröstet sich mit Lili, denkt plötzlich an ernsthaftes Arbeiten und haut den anderen ihre Lebenslügen um die Ohren.
Man möchte ‚echt’ sein, spielt mit den Träumen vom eigenen Selbst, sehnt sich nach bürgerlicher Geborgenheit und bleibt immer an der Oberfläche, weil man Verantwortung nicht lernen musste. Selbstverständlich macht es Jule überhaupt nichts aus, das ihre beste Freundin Lili mit Darius geschlafen hat. Der Streit um den korrekten Plural von Penis ist sprachlich ebenso witzig wie akustische Verbalisierungen von SMS-Kürzeln.
Und dann macht Anna unversehens Schluss mit Philip, was Jule und Lili so kurz vor dessen Prüfungen „total krass“ finden. Für Philip bricht eine Welt zusammen…
„Ich dachte, je mehr man erlebt, desto mehr ist man was“, sagt Anna gegen Ende. Eine bittere Pointe in dem Provisorium des Lebens, dessen Anforderungen die netten „Lieblingsmenschen“ (noch) nicht gewachsen sind.
Den Herausforderungen auf der Bühne ist das gute junge Ensemble zweifellos glänzend gewachsen, schafft genau gezeichnete Typen und lässt über den schmerzlichen Abgründen immer eine leise Komik schweben, die die Figuren sicher über alle dramaturgischen Klippen trägt. Sehenswert auch für alle, deren Studienzeit schon etwas länger zurückliegt.
***
Einen Blick auf die Leere zwischen der Lehre verdienen die Bilder zur Aufführung von Carl-Ulrich Meyring im Foyer des Euro Theaters.

Aufführungsdauer: ca. 1½ Std. ohne Pause
Im Programm bis: ???
Nächste Vorstellung: 10.03.08

Dienstag, 12.08.2008

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