Der Geist des Bösen - kultur 44 - Februar 2008

Abgründig - Der Geist des Bösen nach Edgar Allan Poe in der Pathologie

Einen Blick in die Geheimnisse der menschlichen Seele, in dieses geheimnisvolle Buch, das sich nicht lesen lässt, wirft der Schauspieler Thomas Franke in seinem Monolog am Abgrund, den der Regisseur Reinar Ortmann unter dem Titel Der Geist des Bösen aus mehreren Erzählungen des amerikanischen Dichters Edgar Allen Poe zusammengestellt hat. Im Theater „Die Pathologie“ sitzen die Zuschauer dieser Reise zum logischen Kern des unerklärlichen Verbrechens am Rand der leeren Spielfläche. Franke mit grauer Nadelstreifenhose und weißen Stofflappen an den Füßen erzählt – immer auf dem schmalen Grat zwischen narrativer Distanz und spielerischer Identifikation mit der Bühnenfigur. Ein hellsinniger Verrückter, der vom objektiven Blick des Beobachters leise zur subjektiven Selbstreflexion wechselt. Ab und zu setzt er sich zwischen die Zuschauer, bricht seinen Monolog durch Blick­kontakt mit Einzelnen zum Dialog auf, stockt und beginnt Sätze fragend neu. Ein kleines Vibrieren der Hände, ein lauernder Schritt, ein Zittern des kräftigen Körpers, ein Schütteln des massigen kahlen Schädels genügen für die Wanderungen der Gedanken durch das Universum des Abgründigen. Eine Decke, die er sich fröstelnd umhängt, macht ihn zum König des Grauens und markiert später den Ort des Mordes.
Franke hält perfekt die Spannung des Erzählens, auch wenn in der berühmten Novelle Der Mann in der Menge eigentlich nichts geschieht. Er folgt einem unbekannten alten Mann durch London, betrachtet den ruhelosen einsamen Flaneur im Malstrom der Großstadt und umkreist mit ihm ein Zentrum, das sich als Leerstelle erweist. Es gibt keinen Zweck in diesem verzweifelten Strudel der anonymen Menschenmasse, das detektivische Auge sieht nur den „Geist des Verbrechens“.
Das Motiv des Blicks in Poes Das verräterische Herz kehrt die Außenperspektive um. Das starre Auge eines alten Mannes verfolgt den Mann, der sein Mörder wird. Der Angstblick des Opfers ermöglicht die sorgfältig geplante Tat, die in der Inszenierung ebenfalls eine Leerstelle bleibt. Das unerbittlich pochende Herz des Toten und des Lebendigen rasen im Gleichklang (Musik: Mikail Schokostalisch), bis der Täter sich selbst verrät. Er kann nicht anders, denn der morbide Glanz der Blumen des Bösen will gesehen werden: „This land of Eldorado“ – Poes Gedicht liefert die scharfen Schnitte in diesem düster romantischen Albtraum. Sehenswert! E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 60 Min. ohne Pause
Im Programm bis: ???
Nächste Vorstellung: 29.02.08

Donnerstag, 07.08.2008

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 23.04.2024 15:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn