Der Lebkuchenmann - kultur 33 – Januar 2007

Süßer Küchenzauber - Der Lebkuchenmann von David Wood als Familienmusical in den Kammerspielen

Dass Nussknacker um Weihnachten herum gern aus der Reihe tanzen und bösen Mäusekönigen zeigen, was eine Harke ist, gehört zu den schönen Winterritualen wie Peterchens Mondfahrt zwecks Rückeroberung eines Bienenbeinchens. Um Honig geht es auch im Lebkuchenmann von David Wood. Der frisch gebackene goldbraune Geselle ist inzwischen 30 Jahre alt, aber zur Freude aller Kinder immer noch putzmunter. Und in Großbritannien ist The Gingerbread Man der bekannteste Kindertheaterheld überhaupt. Auf David Woods Homepage kann man sogar nachschauen, wie Queen Elisabeth beim letzten Kinderfest im Park des Buckingham-Palastes bei seinem Drama The Queen's Handbag lächelnd mitgespielt hat. So ungefähr 60 Stücke für Kinder hat der Schauspieler und Autor geschrieben und ganz nebenbei auch noch einige für Erwachsene. Sicher kann man als Theaterautor nicht Potter-Millionen scheffeln, aber immerhin Pfeffer verstreuen und den Großen lustvoll die Suppe versalzen.
Ganz groß ist in den Kammerspielen die hinreißend schöne Bilderbuch-Ausstattung von Christina Wachendorff. Die Kostüme der fidelen Küchenbewohner, die nachts quietschlebendig werden, sind ein Augenschmaus. In der Teetasse könnte man baden gehen, mit der riesigen Gabel die frechsten Mäuse in die Flucht schlagen und sich hinter dem Nudelholz oder dem Glas mit Erdbeermarmelade verstecken. Kalle Kubiks Inszenierung spielt witzig mit solchen Dimensionsverschiebungen. Aus der Sicht von Kindern kann eine Teekanne so groß sein wie ein Haus, das Küchenregal eine ganze Welt und die Kuckucksuhr die Herberge eines adeligen schrägen Vogels. Herr von Kuckuck ist echte Schweizer Wertarbeit mit tadellosem Zeitgefühl und Flügeln aus bestem Fichtenholz. Wolfgang Rüter könnte mit seinem Jodeln glatt das Matterhorn erweichen, wenn seinem Kuckuck nicht gerade ein Frosch im Hals steckte und die Mülltonne drohte. Honig tut bekanntlich strapazierten Sängerkehlen gut. Leider steht der auf dem oberen Regalbrett und wird streng bewacht von dem griesgrämigen alten Teebeutel. Susanne Bredehöft spielt dieses verbitterte einsame Wesen so anrührend, dass man das weiche Herz unter dem rauen Beutelstoff schon ahnt. Erst mal haben der Salzstreuer und die Pfeffermühle aber ihre liebe Not mit dem armen Kuckuck. Bernd Färber spinnt als Käpt'n Salz gern ein bisschen Seemannsgarn - klar: Salz kommt schließlich aus dem Meer. Auch wenn er nicht der Allerhellste ist, mit der Seilwinde kann er umgehen, und die richtigen Kommandos zur rechten Zeit geben auch. Xenia Snagowski ist die kokette Mademoiselle Pfeffer mit unwiderstehlichem französischen Akzent und spielerischem Esprit. Sicher die schärfste Pfeffermühle, die je ein Küchenregal bewohnte. Zumal frisch gemahlene Pfefferkörnchen auch als Geheimwaffe mit garantiertem Hatschi-Effekt taugen.
Direkt aus dem Pfefferkuchenland kommt der putzige Lebkuchenmann, entzückend verkörpert von Aleksandar Tesla (alternierend mit Yorck Dippe). Er ist noch backofenwarm und braucht ein bisschen Zeit, bis der Teig so fest geworden ist, dass das stämmige Kerlchen ein Tänzchen wagen kann. Natürlich gibt's in der Küche ein Radio, und für Partys hat Fräulein Pfeffer immer was übrig. Wenig übrig haben alle für die unverschämte Mafiamaus Flitsch Gamasche, die ihre spitzen Zähne nicht nur ins süße Gebäck schlagen will, sondern aus purer Gemeinheit auch Teebeutel anzunagen droht. Sinead Kennedy macht aus dem ewig hungrigen Tierchen eine solch pfiffige Gangster-Parodie, dass man's fast bedauert, wenn Flitsch nach einer wilden Verfolgungsjagd mit leerem Magen in sein Mauseloch zurückgesperrt wird. Die rasante Choreographie stammt von Annabel Cuny, die Musik von Michael Barfuß. Martin Erdmann sorgt für die heiteren Kommentare am Piano und die Begleitung der flotten Songs.
Kein Wunder, dass die Großen bei dem munteren Küchenkonzert etwas misstrauisch werden. Ab und zu mischen sich die erwachsenen Küchenbesitzer mit den Stimmen von Anke Zillich und Wolfgang Jaroschka ins turbulente Geschehen ein. Aber selbstverständlich geht alles gut aus. Auch wenn's beim Mäusegift auf dem vom tüchtigen Lebkuchenmann mühsam eroberten Honig ziemlich brenzlig wird und Kuckuck beinahe für immer verstummt wäre. Glücklicherweise kennt der alte Teebeutel sich bei Heilkräutern gut aus und gewinnt mit seiner Hilfsbereitschaft neue Freunde. Das Schönste jedoch ist: Der Lebkuchenmann ist zwar zum Anbeißen niedlich, wird aber nicht verspeist, sondern darf noch lange im Küchenregal bleiben.
Zum Vernaschen gibt's im Theater echte Lebkuchenmänner von der Bäckerei Lubig. 50 Cent des Preises gehen an den "Förderkreis für Tumor- und Leukämieerkrankte Kinder Bonn e.V.". Eine schöne Idee! Appetit auf Theater macht der entzückend verspielte, vom Regisseur Kalle Kubik und seinem Ensemble mit viel Witz und Phantasie liebevoll gewürzte Lebkuchenmann auf jeden Fall. Sehenswert für alle Zuschauer, die gerne ganz unbefangen staunen mögen. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std. inkl. Pause

Die Aufführung ist geeignet für Kinder ab 4 -6 Jahren, sofern sie die Länge der Aufführung
schon „aushalten“ können.

Mittwoch, 31.01.2007

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