Der Laden des Goldschmieds (Euro Theater Central)

kultur Nr. 11 - 11/2004

Als Dramatiker ist Papst Johannes Paul II. (*1920) nicht berühmt geworden. Aber als Literaturstudent hat Karol Woityla, bevor er sich für das Priestertum entschied, in einer Theatergruppe mitgewirkt und schreibt bis heute gelegentlich Gedichte. Er war Weihbischof in Krakau, als er Ende der 50er Jahre sein Stück "Der Laden des Goldschmieds" verfasste. Mit dessen deutschsprachiger Erstaufführung hat das Euro Theater Central jetzt seine 35. Spielzeit eröffnet. Ruth Hieronymi, Bonner Abgeordnete im Europäischen Parlament, hat es sich nicht nehmen lassen, der Theaterchefin Gisela Pflugradt-Marteau, die die kleine Bühne gemeinsam mit Claus Marteau gründete, vor der Premiere zu diesem Jubiläum zu gratulieren und hat auch die Schirmherrschaft für das neue Programm "Willkommen in Europa" übernommen. Polen, vertreten durch den Vatikan, machte den Anfang; Tschechien und Ungarn werden folgen, beide vertreten durch ihre ehemaligen Staatspräsidenten Václav Havel (der dem Euro Theater bereits einen Glückwunschbrief schickte) bzw. Àrpád Göncz.
Der Regisseur Peter Tömöry, selbst ein Grenzgänger zwischen Rumänien, Ungarn und Deutschland, hat Wojtylas "Meditationen über das Sakrament der Ehe, die sich vorübergehend in ein Drama wandeln" als Strukturexperiment inszeniert und auf eine strenge Form gesetzt. Den überwiegend erzählerisch angelegten Text hat er zugunsten eines klaren spielerischen Rhythmus behutsam reduziert, ohne ihm sein philosophisches Gewicht zu nehmen. Eine suggestive Musikcollage von András Tucsni unterstützt den oratorischen Charakter der Inszenierung.
Drei Paare werden vorgestellt. Teresa und Andrzej berichten vom Beginn ihrer Freundschaft und ihrer Hochzeit. Ihre Ehe war kurz, denn Andrzej fiel im Krieg. Anna heiratete Stefan; diese Ehe erkaltete langsam. Die beiden Geschichten vom äußeren und inneren Verlust verbinden sich zu neuer Hoffnung in den Kindern: Teresas Sohn Krzysztof heiratet Annas Tochter Monika. Der geheimnisvolle Adam - Johannes K. Prill hält ihn schön in der Schwebe zwischen (biblischer) Allegorie und realer Figur - vermittelt zwischen den Zeitebenen, in denen die Ringe des unsichtbaren Goldschmieds ihr mystisches Gewicht nicht verlieren. Das emotionale Gewicht der Sehnsüchte und Liebesverletzungen zeigen Christine Kättner, Julianna Viczián und Daniel Andone sehr differenziert in einer präzisen Bewegungsregie und sprachlichen Stilisierung. Die schwarzen Kostüme von Melinda Lörincz deuten Individualität vorsichtig an. Lörincz hat auch den eindrucksvollen Raum entworfen, der mit beweglichen, weißen Stoffpaneelen und einem großen Spiegel im Hintergrund die Schatten- und Lichtreflexe ermöglicht, die das Stück zum Thema macht: „Der Mensch lebt mit einem Streifen Schatten, lebt auch mit einem Streifen Licht."
"Der Laden des Goldschmieds" mit seinen wiederholten Spiegelungen ist kein theologischer Essay, sondern ein nachdenklicher Blick auf die irdische Liebe. Aus der mehr gleichnis- als erfahrungsgesättigten Ferne. Tömörys Inszenierung hellt ihn respektvoll und unsentimental auf: Schwerelose Transparenz statt katholischer Transzendenz! E.E.-K.

Donnerstag, 23.11.2006

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