Im Weißen Rössl - kultur 32 - Dezember 2006

Bergeslust am Wolfgangsee - Im Weißen Rössl von Ralph Benatzky in der Oper

Egal, ob sich's mal wieder einregnet oder der Dampfer rückwärts fährt: Im Salzkammergut kann man gut lustig sein und alle Sorgen vergessen. „Was soll man von einem Land halten, das aussieht wie ein Schnitzel“, fragt die Kuh auf dem Bühnenvorhang. Die Antwort ist sonnenklar: Keine dummen Fragen stellen, keine Operetten schlachten und fest dran glauben, dass das Glück am Wolfgangsee vor der Tür steht. Amerikaner halten angeblich den Titelschlager des Weißen Rössls für die österreichische Nationalhymne, obwohl das 1930 uraufgeführte Stück ein Gewächs des Berliner Revue-Theaters ist und nur teilweise vom böhmischen Komponisten Ralph Benatzky stammt (s. kultur 31). Bei der Schnitzeljagd nach einem der größten Erfolge des populären Musiktheaters hat so ziemlich alles mitgewirkt, was in diesem Genre Ende der 20er Jahre Rang und Namen hatte. Regisseurin Andrea Schwalbach hat das zweifelhafte Glanzstück der Wiener Küche mit viel Witz und Ironie entschlackt und serviert ein höchst bekömmliches kulinarisches Vergnügen - selbst für eingefleischte Vegetarier. Wolfgang Lischke bringt das Beethovenorchester zwischen Foxtrott und Walzerseligkeit munter auf Trab. Das Alpenpanorama mit allerlei Spielzeuggetier (Bühne: Anne Neusser, Licht: Klaus Richter) straft jede Klimakatastrophe Lügen; die niedlichen Kostüme (Stephan von Wedel) bleiben selbst im Wolfgangsee-Spaßbad-Schleudergang noch trocken und farbecht.
Die Wienerin Julia Kamenik ist die fesche, schlagkräftige Rössl-Wirtin Josepha Voglhuber, die ihrem Zahlkellner Leopold (mit umwerfendem Charme: Otto Katzameier) ordentlich die Leviten liest. Der bleibt trotzig im Geschäft: „Es muss was Wunderbares sein, von dir geliebt zu werden…". Na ja: Wunder brauchen ihre Zeit, und seine Stimme könnte glatt Gletscher zum Schmelzen bringen, wenn's da nicht den smarten Stammgast Dr. Otto Siedler (Timothy Simpson wieder zurück aus den USA) gäbe, der Josepha das eigensinnige Köpfchen verdreht hat, aber Ottilie (Sigrún Pálmadóttir) schöne Augen macht. Die ist mit ihrem feisten, polterigen Papa Wilhelm Giesecke (herrlich komisch: Günter Alt) aus Berlin angereist, der mehr für den flachen märkischen Sand übrig hat als für irgendwelche Gipfelstürmereien. Die Berge stehen nur dumm rum, sind also eher ein Nebenschauplatz angesichts seines Prozesses um ein Unterwäschepatent. Gegenüber der ökonomischen Sinnfrage nach der Position eines Reißverschlusses kann ihm das ganze Alpenglühen gestohlen bleiben.
Natürlich führt ausgerechnet Siedler den heiklen Prozess und übernimmt unverschämterweise auch noch die Lufthoheit im dramatischen Konflikt der Herzen. Dass der verzweifelte Leopold die Löffel abgibt, ist begreiflich. Auch, dass Josepha gerade in der Hochsaison nicht auf ein Faktotum verzichten kann, das die Touristenmassen selbst bei Schnürlregen (fällt wirklich in Schnüren vom Bühnenhimmel) bei Laune hält. Die gute Laune an sich ist Mark Rosenthal als Sigismund Sülzheimer (Sohn von Gieseckes Gegner und zwecks möglicher ehelicher Verbindung mit Ottilie und gerichtlichen Vergleichs ins Gebirge geschickt). Sigismund kann absolut nichts dafür, dass er so schön ist, hat mit Haarnadelkurven ein paar Probleme, fliegt jedoch auf Zahnspangen. Liegt also bei dem süß lispelnden Klärchen (Nina Weiß) goldrichtig. Die ist die aufgeweckte Tochter des sympathisch vertrottelten Professors Hinzelmann (Klaus Brantzen), der zwar kein Geld aber viel Grips besitzt und einen Operettenkaiser locker ersetzen kann.
Bekanntlich finden in dieser heiteren Sommerfrische die richtigen Paare zusammen. Das wäre aber nur halb so schön, wenn nicht Anke Zillich als skurriles Alpenmonster Zenzi allen Gipfeln die Ruh raubte und mit ihren schrägen Jodlern selbst putzigen Murmeltieren in Gletscherspalten die Öhrchen spitz machte. Wenn nicht der Chor unter der Leitung von Sibylle Wagner selbst das Matterhorn (nee: das gehört nun wirklich der Schweiz) zur Weißglut bringen könnte. Und wenn nicht die Tänzer aus dem ehemaligen Mikulaštik-Ensemble das Ganze pfiffig aufmischten und an einer Steilwand mit Kletterseilen einen akrobatisch waagerechten Wiener Walzer - in Dirndl und Lederhosen - hinlegten.
Das Bonner Publikum geriet bei der Premiere fast aus dem Häuschen. Endlich mal eine Operette ohne langweiligen Provinz-Swingerclub und Volksbühnenödnis. Prickelnd wie ein Wiener Heuriger, der nur ein winziges bisschen nach Melancholie schmeckt. Wer den Bonnern diesen federleichten Spaß nicht gönnt, soll sich doch an der Zugspitze auf- oder in Fledermausgrotten abhängen oder fett panierte Wiener Schnitzel fressen. Am Wolfgangsee verkohlten schon ganz andere Kalorienmengen. Zumal der Sommer am Wolfgangsee auch im Winter grünt; Karten für die Sylvester-Vorstellungen wachsen trotzdem nicht vom Himmel … E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 1/2 Std. mit Pause
Im Programm bis: 7.04.07

Donnerstag, 25.01.2007

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