Glorious - kultur 38 - Juni 2007

Pures Theaterglück auf den Flügeln des Gesangs - Glorious von Peter Quilter im Contra-Kreis-Theater

Aus jedem Ton, den die Dame sang, klang ihr unerschütterlicher Glaube an die Musik. Florence Foster Jenkins (1868 - 1944) liebte den Gesang aus tiefster Seele gegen alle Widerstände ihres Talents. Sie erklomm tapfer alle Tonleitern und segelte kühn durch das schillernde Meer der großen Sopranarien, auch wenn ihre Stimme mit traumwandlerischer Sicherheit an vielen Noten vorbeiglitt. Sie brauchte keine Oper zu spielen, weil sie selbst die Oper mit all ihrer Tragik, Komik, Lust an der Schönheit und triumphalen Abstürzen verkörperte. Sie war peinlich und sonnte sich in ihrem zweifelhaften Ruhm. Die Lady war ein Ereignis und ist es jetzt auch im Contra-Kreis-Theater. The Glory (????) of the Human Voice heißt die alte Schallplatte (1962 bei RCA erschienen), die einige der ohrenbetäubenden Kostbarkeiten aus dem Repertoire dieser amerikanischen Nachtigall dokumentiert und bei leidensfähigen Musikfans schnell zum Geheimtipp avancierte. Ohne jedes Fragezeichen Glorious! heißt die Komödie des britischen Autors Peter Quilter, der der exzentrischen Diva damit ein bezauberndes Denkmal setzte. In London eroberte die Königin der schrägen Glissandi und quietschenden Koloraturen das Publikum im Sturm. Das Stück wurde 2006 für den Laurence-Olivier-Award nominiert und sofort auf fast allen Kontinenten nachgespielt. Für die deutschsprachige Erstaufführung hat Contra-Kreis-Chef Horst Johanning den Text nicht nur witzig übersetzt. Seine Inszenierung ist auch ein charmantes Kompliment an eine Frau, die ihren Traum zu leben wagte. Glorious! erzählt nicht schlicht die Biographie der steinreichen Millionenerbin nach, die allen Warnungen zum Trotz viel Geld in ihre ‚goldene' Kehle steckte. Glorious! zeigt in vielen kleinen, raffiniert montierten Szenen den Glanz und das Elend einer in jeder Hinsicht unvergleichlichen Künstlerin.
Doris Bierett ist nicht nur wegen ihrer erstaunlichen äußeren Ähnlichkeit mit den raren alten Fotos von Florence Foster Jenkins eine Traumbesetzung. Sie kann nämlich perfekt singen und kennt sich aus in allen musikalischen Genres zwischen Oper, Musical und Chanson. Sie weiß, wie es klingen müsste und kann deshalb so haarscharf danebentreffen. Weil man immer wieder die richtigen Töne zu hören bekommt, werden die falschen erst wirklich schön. Mit ihrem verkicherten „Mein Herr Marquis“ könnte sie jede Fledermaus in die Flucht schlagen, mit ihrem koketten Augenaufschlag macht sie alle Kickser locker wett. Der elegante Daniel Große Boymann als sensibler Pianist Cosme McMoon erliegt ihrer selbstbewussten Energie und trägt ihre Stimme mit dem Mut der Verzweiflung durch die rhythmischen Klippen und erschütternden Tonbrüche. Samy Orfgen sorgt als standhaftes mexikanisches Hausmädchen Maria mit herzhaftem Mutterwitz für das Wohl ihrer Herrin, auch wenn ihr vieles spanisch vorkommt. Rainer Delventhal ist als bizarrer britischer Kavalier St. Clair Bayfield der Spleen an sich. Silvana Sansoni spielt die quirlige Freundin Dorothy mit dem naiven Sinn fürs Höhere. Sandra Krolik macht als gnadenlose Kritikerin Verindah-Gedge gute Figur. Gespannte Back-Stage-Atmosphäre, amerikanische Salonkultur, Ball- und Konzertsäle zaubert das Bühnenbild von Pit Fischer. Die tollkühnen Kostüme für ihre legendären Auftritte pflegte Florence selbst zu entwerfen, am liebsten für jedes Lied ein anderes. Brigitt Fellermann hat diese Träume aus Samt und Seide inklusive skurrilem Kopfschmuck liebevoll nachempfunden.
Um Einladungen zu den privaten Konzerten der Florence Foster Jenkins im New Yorker Ritz-Carlton oder beim „Ball der Silberlerchen“ ihres Verdi-Clubs riss sich die amerikanische Glamour-Society, lachte Tränen und jubelte. Doris Bierett macht ihre Florence in der „wahren Geschichte der schlimmsten Sängerin der Welt“ trotzdem nicht lächerlich, sondern schlägt immer wieder so feine selbstironische Töne an, dass ihr meis­terhaft schauerlicher Gesang auch ein großer Bluff gewesen sein könnte, mit dem sie heimlich zum eigenen Vergnügen die noble Gesellschaft vorführte. Egal: Beim Finale, dem berüchtigten Konzert in der Carnegie-Hall am 25.Oktober 1944 (die Karten erzielten auf dem Schwarzmarkt Sündenpreise!), sang sie im gesegneten Alter von 76 Jahren eine „Königin der Nacht“ mit solch inbrünstiger Wut und dramatisch verfehlten Spitzentönen, dass selbst die Rachegötter erblassen mussten. Die Musen hatten die Göttin der schrillen Kehle nach dem ersten Kuss schnöde verlassen. Sie hat es ihnen so blendend heimgezahlt, dass ihr am Sängerhimmel ein Stern gebührt. Im Contra-Kreis mindestes ein komplettes Planetensystem! Unbedingt sehen und hören, bevor diese Glorious!-Produktion den Himmel über Berlin und Hamburg einstürzen lässt. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: 15.07.07
Nächste Vorstellung: täglich außer montags

Donnerstag, 06.12.2007

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