Hedda Gabler (kultur 35 - März 2007)

Brennende Verzweiflung - Hedda Gabler von Henrik Ibsen im Kleinen Theater

Irgendwas Animalisches lauert hinter der starren bürgerlichen Maske dieser Frau. Starschauspielerin Anouschka Renzi zeigt sehr schön, wie sich Ibsens Hedda Gabler zwischen ungezogener Papa-Tochter, widerwilliger Gattin, eigenem und fremdem Begehren tödlich verheddert. Sie träumt von der Kunst und dem bacchantischen „Weinlaub im Haar“, bis die trockene Kunstwissenschaft und ein paar Männer ihr einen Strich durch die pathetische Rechnung machen. Hedda Gabler ist in Paul Bäckers schlanker Inszenierung eine kalte Kunstfigur, die jedes Gefühl mit einer geradezu körperlichen Lüge konterkariert und deshalb die fürchterlich banale Wirklichkeit ihrer Existenz nicht begreifen kann. Und genau da ist Renzi richtig gut, weil sie sich immer zwischen Selbstdarstellung und der von Ibsen zur Schau gestellten weiblichen Verdinglichung bewegt.
Lorenz Schirren als Gatte Jörgen Tesman ist ein glänzend verhuschter Kunsthistoriker, Pantoffelheld und Lieblingsneffe aller Erbtanten, also für Hedda eine Art Rentenversicherung, nachdem sie sich „müde getanzt“ hat. Steffen Laube als Ejlert Lövborg ist das faszinierend verlotterte Genie, das Jörgen intellektuell, erotisch und leider auch beruflich und damit ökonomisch Paroli bietet. Matthias Kiel spielt den meistens am Kamin hämisch in Siegerpose grinsenden Assessor Brack, der auf die risikolose Dividende bei Heddas erotischem Börsenkurs setzt. Der ist durch die Ehe mit Tesman auf das Niveau einer preiswerten feindlichen Übernahme mit prickelnder geheimer Hausfreundschaft gesunken. Der Name des ehelichen Pleiteunternehmens Tesman wäre kein Problem. Die unfreiwilligen Hintergrundinformationen liefert sowieso das Dienstmädchen Berte (Ursula B. Kannegießer, die tapfer auch den Text von Tante Jule übernimmt). Der Hedge-Fonds ist Myriam Stark als Thea Elvsted. Erstens hat sie wegen Lövborg ihren ungeliebten Mann verlassen, zweitens heilsarmeemäßig ihr kluges Kind Lövborg von der Alkoholsucht auf die Gewinnschiene gebracht, und drittens auch noch Hedda gezeigt, wo's lang gehen könnte, wenn Nora die Tür zuknallt. Im Kleinkarierten ist sie Hedda im kleinen Schwarzen (Ausstattung: Thomas Pekny) meilenweit überlegen. Schauspielerisch auch.
Hedda provoziert aus einer bösartigen Laune heraus Lövborg zu einer Probe auf seinen Kurs im erotischen und universitären Potenzgehabe, die zu dem nicht ganz unkalkulierten Crash führt. Das bisschen kriminelle Energie bei der Verbrennung von Lövborgs genialem Manuskript (die Freudsche Fehlleistung mit eigener Kindsvernichtung liegt auf der Hand) in der Hoffnung auf Tesmans Kurssteigerung und das in einem schönen Tod zur Unsterblichkeit gesteigerte Leben, ist verzeihlich. Falsche Spekulationen bestraft der Markt der Eitelkeiten leider gnadenlos: Papas heilige Pistole ist buchstäblich verpufft. Das Leben ist schlicht lächerlich und hört gemeinerweise ohne Gewalt nicht auf. Jörgen und Thea rekonstruieren längst das verbrannte Manuskript, wenn Hedda mit einer Kugel im Kopf zwischen keuschen Lilien (Blumengeruch war ihr immer schon widerlich) die schöne Leiche mimt, die sie immer schon sein wollte. E.E.-K.

Aufführungsdauer: Ca. 2 ¼ Stunden,mit Pause
Im Programm: täglich bis 5.03.07

Donnerstag, 15.03.2007

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