Das Sams - kultur 42 - Dezember 2007

Wunschloses Theaterglück mit lustvoller Anarchie - Das Sams von Paul Maar im Jungen Theater

Am Sonntag begann die Woche mit strahlendem Sonnenschein, am Montag kam der alte Freund Mon zu Besuch, am Dienstag machte man fleißig Dienst nach Vorschrift, am Mittwoch war logischerweise Wochenmitte, am Donnerstag gab’s ein heftiges Gewitter, am Freitag war das Büro zu, weil der Chef den Schlüssel verbummelt hatte. Am siebten Tag ruhte sich Gott bekanntlich von seiner Arbeit an der Schöpfung aus und erschuf – wahrscheinlich nur aus Sehnsucht nach dem ursprünglichen Chaos – das Sams. Gemerkt hat das jedoch erst Paul Maar, der im Dezember 70 wird und der meistgespielte lebende deutsche Dramatiker ist. Vor 35 Jahren schrieb er Eine Woche voller Samstage und erfand eine der beliebtesten Kinderbuchfiguren der Welt. Seitdem kennen fast alle Kinder das putzige kleine Sams mit den roten Stachelhaaren, dem frechen Schweinerüssel und den vielen blauen Punkten im Gesicht. In der Musicalfassung, die der Komponist Rainer Bielfeldt zusammen mit dem Autor verfasst hat, ist das Stück jetzt im Jungen Theater zu erleben. Stefan Witt hat die flotten Songs neu arrangiert und noch einiges hinzukomponiert.
Andreas Lachnit, der regelmäßig am JTB arbeitet und seit dieser Spielzeit dort auch stellvertretender Intendant ist, inszeniert die heitere Geschichte mit funkensprühendem Witz und atemberaubendem Tempo. Das wunderschöne Bühnenbild von Laurentiu Tuturuga macht das Buch selbst zum Schauplatz: ein schwarzweißer Raum aus bedruckten Seiten mit Text und Illustrationen, in dem die bunten Bilderbuchfiguren hinreißend lebendig werden. Allen voran die temperamentvolle Andrea Brunetti, die auch schon als Pippi Langstrumpf begeisterte und nun als pfiffiges Sams im quietschgrünen Trikot (Kostüme: Brigitte Winter) über die Bühne wirbelt. Sie spielt mit traumhafter Intelligenz und prallem Körpereinsatz: Allein wie sie schnarchend ihr Hinterteil hebt und senkt, ist schon tierisch komisch. Die Welt des biederen, ängstlichen Herrn Taschenbier (Sören Ergang) bringt das anarchische Wesen energisch durcheinander. Immerhin hat er erkannt, dass es sich bei dem drolligen Geschöpf, das da plötzlich auf der Straße auftaucht, nur um ein Sams handeln kann. Mit fatalen Folgen, denn das Sams deklariert ihn zu seinem Papa und weicht ihm nicht mehr von der Seite. Dass es besser rechnen kann als sein Papa und der Bürochef Herr Oberstein (Peter Devo Neumann), ist ja ganz nützlich. Wie es den Abteilungsleiter im Kaufhaus (Jan Herrmann) zur Verzweiflung treibt, ist ein zweifelhaftes Vergnügen. Dass es einen eigenwilligen Geschmack hat, gern Papierkörbe annagt und den Wecker am liebsten als Pausenbrot verspeisen möchte, ist freilich gewöhnungsbedürftig. Außerdem erfüllt es Wünsche, sobald sie ausgesprochen werden, was durchaus peinlich werden kann. Da landet die strenge Frau Rotkohl (Giselheid Hoensch) mit ihrem Staubwedel auf dem Schrank und sagt das Gegenteil von dem, was sie meint. Irgendwann schneit sogar der inzwischen ziemlich groß gewordene Eisbär Knut (Michael Hilbert) in Herrn Taschenbiers Zimmer. Für die komplizierte Knackwurst-Bring-Anlage braucht’s nicht mal Strom, sondern nur Musik.
Das ganze Ensemble singt und tanzt (Choreo­graphie: Valerie Joy Simmonds) mitreißend durch die vielen kleinen Szenen und spielt unverschämt fröhlich mit großen Show-Effekten. Und es erzählt von einer tollen Freundschaft: Das liebenswürdige Sams mit seiner kindlichen Phantasie hat aus dem drögen Herrn Taschenbier einen aufgeweckten, selbstbewussten Menschen gemacht. Beide haben begriffen, dass zur gegenseitigen Sympathie auch ein Stück Verantwortung füreinander gehört. Klar: Wenn die blauen Wunschpunkte im Gesicht des Sams aufgebraucht sind, kehrt der Alltag zurück. Aber der nächste Samstag kommt ja bestimmt…
Ein erfrischender Spaß voller Poe­sie und Spiellaune – nicht nur für Wintersamstage. E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 100 Min. inkl. Pause
Im Programm bis: ???
Für alle ab 5 Jahren geeignet.

Dienstag, 05.02.2008

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