Mirandolina - kultur 42 - Dezember 2007

Zähmung eines Weiberfeindes - Mirandolina von Carlo Goldoni im Kleinen Theater

Die Männerwelt liegt der schönen Mirandolina, Besitzerin einer Locanda in Florenz, kopflos zu Füßen. Der Marchese di Forlipopoli (herrlich skurril: Konrad Domann) zappelt dümmlich zwischen altem Adelsstolz und leerem Beutel, der neureiche Conte di Albafiorita (Karl-Heinz Dickmann als munterer Schürzenjäger) prunkt mit Diamanten und hat wenig übrig für seinen hochnäsigen Nebenbuhler. Der Kampf der beiden eitlen alten Galane ist die satirische Konstante in Carlo Goldonis Komödie Mirandolina, die bereits 1752 eine selbstbewusste, intelligente und ökonomisch unabhängige junge Frau ins Zentrum stellte.
Horst Gurski hat das Stück im Kleinen Theater plakativ um den Star der Aufführung herum inszeniert: Dunja Rajter war im Kino Winnetous Schwester, machte als Film- und Fernsehschauspielerin und als Schlagersängerin international Karriere und ist als Musicaldarstellerin demnächst in Bremen zu erleben. Wann sie in Kroatien zur Welt kam, muss man nicht wissen; wenn sie ihre pechschwarze Mähne schüttelt und ihr temperamentvolles „Rrrragout“ serviert, sieht selbst ein Sommernachtstraum alt aus. Was Rajters Mirandolina in den besten Jahren an mimischem Ausdruck fehlt, macht sie durch schelmisches Augenrollen, ihre perfekte Figur und leicht überdrehten spielerischen Witz wett. Außerdem hat die Dame offenbar Erfahrung mit durchgeknallten Verehrern und weiß genau, welches Feuer zu schüren oder zu löschen ist.
Der Cavaliere di Ripafratta (als eleganter Misanthrop aus der Schule von Goldonis Vorbild Molière: Manfred Molitorisz) plumpst genau deshalb in ihre Falle, weil er dem weiblichen Geschlecht grundsätzlich abgeschworen hat und damit auch dem Schatz und Schutz der Erfahrungen. Dieser ritterliche Grobian braucht die feine Schule der Frauen und ist eine Herausforderung für Mirandolinas weiblichen und bürgerlichen Ehrgeiz. Der ungnädige Herr muss halt begreifen, dass bessere Wäsche und von der Wirtshauschefin angeblich eigenhändig zubereitete Soßen ihren Preis haben. Um ein Spiel mit dem Schein (am besten in harter Währung) geht es schließlich: Die beiden ehrlichen Komödiantinnen (Susann Fabiero als Ortensia und Mira Nass als Dejanira), die plötzlich in Mirandolinas Wirtshaus schneien, fallen flott aus ihren Rollen als feine Damen. Dekorative Schwipse und Ohnmachten verfehlen freilich in der dramaturgischen Strategie der Frauen selten ihre Wirkung.
Der tapfere Cavaliere wird also locker an die verführerische Leine gelegt und kommt unversehens vom widerspenstigen Salonlöwen auf den braven Hund. Sein kleiner Diener (Frank Musekamp macht aus seiner Minirolle einen grotesken running gag) dackelt und grimassiert sich als liebestolles Faktotum durch den Wahnsinn aller Kissen und Suppentassen. Nur der treue Kellner Fabrizio (Wolf-Guido Grasenick als unerschütterlicher Hausgeist und freundlicher Ritter vom feurigen Bügeleisen) behält angesichts von Mirandolinas durchsichtigem Spiel die Nase oben.
Am Anfang lässt Ausstatter Thomas Hoffmann die beiden adeligen Rivalen hinter Bettlaken auftauchen, als ob’s ein Theatervorhang wäre. Später werden die Locanda-Tische mit frisch gewaschenen Unterhosen gedeckt, als ob da die Improvisationen der Commedia dell’Arte bei den platten TV-Comedys gewildert hätten. Mit ein bisschen scharfem Rokoko-Ketchup (die opulenten Kostüme sind eine Augenweide!) wird selbst ein total veralberter Mac-Goldoni noch schmackhaft. Der Dichter, der dem Volk gern und genau aufs Maul schaute, hätte seinen Spaß dran gehabt.
Die kluge Locandiera wird nach ihrem Sieg im Geschlechterkampf selbstverständlich nicht den gezähmten, liebeshungrigen Ritter heiraten, sondern den tüchtigen Fabrizio. Weil Goldoni, der vor 300 Jahren in Venedig zur Welt kam, schon lange vor der bürgerlichen Revolution in Paris, wo er seit 1762 lebte, begriffen hatte, dass die ökonomische Zukunft nicht mehr dem verrotteten, selbstverliebten Adel gehörte, sondern dem fleißigen Mittelstand. Und solch bissigen Seniorchefinnen wie Mirandolina, der Großmutters bacchantische Liedchen (die mehr oder minder gesungenen Texte stammen tatsächlich von Goldoni) immer noch pfiffig über die porzellanweißen Zähne und die barocken Lippen gehen. Dem ziemlich zähflüssigen Esprit der Inszenierung half das leider auch nicht viel. E.E.-K.

War bis zum 12.11.07 auf dem Spielplan.

Dienstag, 05.02.2008

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