Szenen einer Ehe - kultur43 - Januar 2008

Bröckelndes Glück - Szenen einer Ehe von Ingmar Bergman im Euro Theater Central

Seit Ingmar Bergmans 1972 erschienenem Filmklassiker gehört „Szenen einer Ehe“ zu den viel zitierten Chiffren für das Scheitern der bürgerlichen Institution Ehe, die die Liebe überfordert und den Geschlechterkampf herausfordert. Die Regisseurin Marianne de Pury macht aus Bergmans Drama Szenen einer Ehe im Euro Theater Central freilich keinen düsteren Strindbergschen Familien-Psycho-Krieg, sondern eine fast heitere Geschichte von den widersprüchlichen Sehnsüchten nach Geborgenheit und Selbstbehauptung. Ihre auf acht Szenen reduzierte Fassung inszeniert die gelernte Komponistin wie eine Suite zwischen Allegro furioso, Scherzo und Largo sentimentale. Der sehr präzise spielerische Rhythmus bricht sich in den dazwischen geschalteten musikalischen Bruchstücken, die emotionale Befindlichkeiten herbeizitieren. Dennoch wirft jede Szene einen scharfen, fast naturwissenschaftlich kühlen Blick auf den jeweiligen Zustand der beiden Figuren und ihrer Beziehung. Ausstatter Thomas Ziegler hat dafür ein raffiniert schlichtes Bühnenbild entworfen. Ein beweglicher schwarzer Kasten dient als Bett für erotische Kissenschlachten, als Tisch für kulinarisch-intellektuelle Geplänkel und als nüchterner Gerichtsort für knallharte Abrechnungen.
Johan und Marianne sind seit zehn Jahren verheiratet: Ein ideales modernes Paar, beide beruflich erfolgreich, jung, attraktiv, beliebt bei Freunden und Verwandten, zwei entzückende Töchter, keine Probleme im Bett. Und doch scheint da beim fröhlichen Sonntagmorgen-Kuscheln irgendwas zu knistern… Es sind diese feinen Spannungsrisse in der Fassade einer Beziehung, die langsam zerbröckelt. Man liebt sich, versteht sich nur allzu gut und hat sich unbegreiflich weit voneinander entfernt. Johann betrügt Marianne seit langem mit seiner Studentin Paula und hat sich ein Freisemester genommen, um mit ihr in Paris wieder jung zu werden. Klar, dass seine tolerante Gattin ihm beim Kofferpacken hilft. Ein Seitensprung ist schließlich keine Katastrophe. Wenn da im Hintergrund nicht das Gespenst der Eifersucht lauerte. Und wenn diese hilflosen Gefühlsanalphabeten nicht ständig über ihre eigenen klugen Wörter stolperten.
Nadja Soukup, die in der Spielzeit 1999/2000 schon in der Titelrolle von de Purys Inszenierung von Strindbergs Fräulein Julie glänzte, spielt die aktivere weibliche Hälfte des Paars: zärtlich wütend, trotzig verzweifelt, selbstbewusst begehrenswert. Johnny Müller (zum ersten Mal im Euro Theater) ist die männliche Passivität an sich: liebenswürdig unbeholfen, grausam verständnisvoll, ein Selbstbetrüger auf dem Midlife-Ego-Trip. Beide schwanken zwischen Anziehung und Abwehr, Liebe und Hass, suchen sich neue Partner und treffen sich zehn Jahre später – inzwischen geschieden und anderweitig verheiratet – im Bett. Seitenspringer in die verflossene Ehe: eine hübsch ironische Lösung. Johan und Marianne haben sich vor dem Einschlafen noch mal den alten Filmklassiker Casablanca angeschaut. Große Gefühle sind ja eigentlich nur noch was fürs Kino, der Rest ist Zappen mit der TV-Fernbedienung.
Bergmans Film lief übrigens in einer Langfassung in Schweden auch als Fernsehserie. Die Aufführung im Euro Theater nimmt diese Soap-Struktur mit hintergründigem Witz auf. Vor allem jedoch erzählt sie schauspielerisch brillant und immer noch aktuell vom verminten Gelände der Ehe. Könnte ein Renner werden wie schon Marianne de Purys Inszenierung von Brennende Geduld.
E.E.-K.

Aufführungsdauer: ca. 2 Std., eine Pause
Im Programm bis: ???

Dienstag, 05.08.2008

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