Tremain, Rose: Der weite Weg nach Hause

kultur Nr. 62 - Januar 2010

Ein Buch, das mich zutiefst bewegt hat: Ein Mann aus einem osteuropäischen Dorf, in dem es keine Arbeit mehr für ihn gibt, denn das Sägewerk hat kein Holz mehr, macht sich auf den Weg nach London, um ein neues Leben zu beginnen. Seine Frau ist gestorben, seine kleine Tochter lässt er bei seiner Mutter zurück.
Der Riesen-Moloch London nimmt ihn keineswegs liebevoll auf, wie hat er sich das überhaupt vorgestellt? Er hat etwas Geld, ein paar Zwanzigpfundnoten, er hat etwas Englisch gelernt, aber reicht das, und wie lange? Er ist 50 Stunden in einem Bus unterwegs gewesen und unsagbar müde, wo soll er schlafen? Auf einer Parkbank – da weckt ihn die Polizei, aber er ist doch legal und er will arbeiten, alles wird er tun, aber das wollen viele. Olev ist ein gut aussehender Mann von 42 Jahren (wenn er gewaschen und rasiert ist und ausgeschlafen ist, er braucht auch nicht viel, bloß Wodka und Zigaretten, an etwas muss der Mensch sich doch festhalten in seiner Einsamkeit, in der Sehnsucht und wachsenden Verzweiflung).
Die Autorin zeichnet unendlich einfühlsam den mühseligen Weg eines Immigranten, eines einsamen Wolfs, eines ernsthaften Mannes, der sich viele Gedanken macht, fleißig ist, traurig, sehr allein. Man hofft mit ihm und freut sich, wenn er Arbeit findet und Freunde, glaubt wie er, dass es voran geht und leidet mit ihm, wenn er wieder auf die Nase fällt und von vorn anfangen muss. Es ist kein leichter Weg, der weite Weg nach Hause, was durchaus ein zweideutiges Bild ist – der Weg zu sich selbst und in die Heimat zurück, wo es ein tröstliches und überraschendes happy-end gibt. Man kann es kaum glauben, aber man wünscht es ihm so sehr.

Der weite Weg nach Hause
Roman von Rose Tremain, Deutsche Erstausgabe,
Suhrkamp, Oktober 2009 ,
490 Seiten, kartoniert/broschiert, 14,90 €.

Mittwoch, 05.01.2011

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