Wolfgang Jaroschka - kultur 29 - September 2006

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Wolfgang Jaroschka - Sonny Boy Al Lewis und Erich Kästner im Doppelten Lottchen

Zum ersten Mal auf der Bühne gesehen habe ich den Mann mit den markanten Augenbrauen sicher schon als junge Theaterbesucherin in meinem Heimatort Vechta/Oldenburg. Zu Beginn der 70er Jahre war Wolfgang Jaroschka nämlich engagiert in Wilhelmshaven an der Landesbühne Niedersachsen Nord, die regelmäßig in den kleinen Städten der weiteren Umgebung gastierte. Unter dem Intendanten Rudolf Stromberg gehörte das Wilhelmshavener Theater zu den renommiertesten Landesbühnen in der Bundesrepublik. „Die drei Jahre dort im Norden waren eine schöne Zeit, in der ich viel Neues ausprobieren konnte“, schwärmt Jaroschka immer noch. „Strombergs Sohn Tom, der bis vor kurzem das Deutsche Schauspielhaus in Hamburg leitete, war damals noch ein Kind.“
Inzwischen kann Wolfgang Jaroschka auf mehr als 40 Jahre als Schauspieler zurückblicken, davon 10 in Bonn. „So lange bin ich noch in keiner Stadt geblieben. Es gefällt mir hier einfach. Bonn darf sich seine Lebensqualität als lebendige Kultur- und Theaterstadt nicht kaputtsparen.“ Geboren wurde er 1942 in Litomerice im heutigen Tschechien. Die Jaroschkas gehörten zu den dort seit Generationen ansässigen Sudetendeutschen; Wolfgangs Vater war noch als Österreicher zur Welt gekommen. Nach der Ausweisung aus der böhmischen Heimat 1945 zog die Familie mit ihren drei Kindern nach Augsburg. In Brechts Geburtsstadt wurde der junge Wolfgang vom Theatervirus gepackt. In Brechts Todesjahr 1956 sah er dort zum ersten Mal Herr Puntila und sein Knecht Matti und war begeistert. „Die Augsburger Bürger beobachteten die Inszenierung sehr skeptisch. Der Autor war noch ziemlich umstritten. Aber das ist 50 Jahre her.“ Als alter Dogsborough in Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui war Jaroschka 2004/05 in einem Brecht-Stück in Bonn zu sehen. Kay Voges führte Regie ebenso wie bei der Uraufführung von Helmut Kraussers Unser Lied, wo Jaroschka als alter Tronje und Etzel die mythischen Herrscherfiguren des Nibelungenliedes verkörperte. „Ich arbeite gern mit jungen Regisseuren und Schauspielerkollegen zusammen. Ich habe auch das Glück gehabt, viele berühmte Regisseure schon früh kennenzulernen wie z.B. Dietrich Hilsdorf.“ Unter ihm spielte er in Bonn den Andrea Doria in Schillers Fiesco, den Lord Escalus in Shakespeares Maß für Maß und den alten Grafen Raimond in Kleists Familie Schroffenstein. Kleist zählt er ohnehin zu seinen Lieblingsdichtern und den Richter Adam im Zerbrochnen Krug zu seinen Lieblingsrollen. Gespielt hat er ihn in der Regie von Hilsdorf in Ulm, wo er von 1981 bis 1985 engagiert war. Hilsdorf war dort Oberspielleiter und galt noch als aufregendes Nachwuchstalent. Jaroschka glänzte damals auch in etlichen anderen großen Rollen: z.B. als Willy Lohman in Millers Tod eines Handlungsreisenden und James Tyrone in O'Neills Eines langen Tages Reise in die Nacht.
Nach der Schulzeit hatte Jaroschka kurz geschwankt zwischen den Berufen Lehrer, Pfarrer oder Schauspieler, sich aber schnell für letzteres entschieden. In München nahm er privaten Schauspielunterricht bei Ellen Mahlke, aus deren Schule auch Größen wie Hermann Lause und Gert Voss hervorgegangen sind. „Sie war streng und eigenwillig, hat uns aber eine Menge mit auf den Weg gegeben.“ Noch während der Ausbildung holten ihn Regisseure wie Heinz Hilpert und Rudolf Noelte für kleine Gastrollen ans Münchner Residenztheater. Gern erinnert er sich an Noeltes Inszenierung von Sophokles' König Ödipus 1962, wo er einen seiner ersten Auftritte als Chormitglied hatte. Nach dem Studienabschluss folgten Engagements in der Schweiz und erste große Charakterrollen: „Mit 24 Jahren habe ich bereits den Carlos in Goethes Clavigo gespielt.“ In Wilhelmshaven, Gießen und Hildesheim baute er sein Repertoire weiter aus. Auf Ulm folgte Darmstadt, wo er z.B. in der Regie von Hannelore Hoger den Meister Anton in Hebbels Maria Magdalena spielte und in einer Inszenierung des jetzigen Bonner Generalintendanten Klaus Weise den Dr. Wangel in Ibsens Die Frau vom Meer. In Darmstadt stand er auch schon mehrfach mit Rolf Mautz auf der Bühne: Jaroschka war König Philipp, Mautz Marquis Posa in Schillers Don Carlos, Jaroschka war Wladimir, Mautz Estragon in Becketts Warten auf Godot. „Eine verrückte Komödie übers Theater haben wir dort bereits gemeinsam durchgestanden: Der nackte Wahnsinn von Michael Frayn in der Regie von Nikolaus Büchel.“ Das Boulevard-Genre hat Jaroschka ohnehin immer gemocht: „Den Jean-François in Pepsie und einen der potenziellen Mieter in Hier sind sie richtig - beide Komödien standen ja in dieser Spielzeit auf dem Programm des Kleinen Theaters - habe ich auch mal gespielt.“
Beste Voraussetzungen also für die Sonny Boys, deren Endproben bei unserem Gespräch gerade begonnen haben. Jaroschka spielt den kauzigen Al Lewis, Mautz den grantigen Willie Clark. „Neil Simon schreibt einfach blendend gute Texte, in denen eine Menge unter der Oberfläche steckt.“ Regie führt Kalle Kubik - wie beim höchst erfolgreichen Doppelten Lottchen, wo Jaroschka als Erich Kästner auch die Herzen der Kinder eroberte.
Von Darmstadt zog er nach Mannheim, wo er in einer heftig umstrittenen Inszenierung von Gerhart Hauptmanns Iphigenie in Delphi (Regie: Armin Petras, der inzwischen in Berlin das Gorki-Theater leitet) dem damaligen Bonner Generalintendanten Manfred Beilharz, der Jaroschka bereits in Ulm gesehen hatte, so auffiel, dass er ihn ins hiesige Ensemble holte. Seinen Bonner Einstand gab Jaroschka im Herbst 1996 als schlitzohriger Band-Manager in der deutschsprachigen Erstaufführung von David Hares Musical Rock und Seele. Danach folgten viele interessante Rollen wie der Pfarrer Arne in Hauptmanns Winterballade, Graf von Gloster in Shakespeares König Lear, der Mönch Boniface in Marina Carrs Ariel, und der zynische Patriarch in Sartres Die Eingeschlossenen von Altona. „Ziemlich skurril war's, als Johann Kresnik mich neben diversen anderen Rollen in Roberto Zucco von Koltès plötzlich auch noch als alte Nutte besetzte. Hat aber Spaß gemacht, mit schwarzer Perücke und Stöckelschuhen herumzurennen. Überhaupt: Heute sind auf dem Theater wie im Film oft ‚Typen' gefragt. Mich reizen eher ganz unterschiedliche Figuren, bei denen man sich jedes Mal neu erfinden muss.“ Besonders schätzt er deshalb auch den Regisseur Valentin Jeker. In dessen Godot-Inszenierung spielte er den Pozzo, und 1997 unter Jeker eine zentrale Rolle in der Uraufführung des vom Bund der Theatergemeinden ausgezeichneten Stückes Heimatbuch von Kaca Celan. „Übrigens mein zweites TG-Preisträgerstück: 1990 habe ich in Darmstadt auch Acht Weltmeister von Ria Endres mit aus der Taufe gehoben.“
Aus seiner ersten Ehe hat Jaroschka eine Tochter, die in Aachen als Lehrerin für Jugendliche mit Erziehungsproblemen arbeitet. „Ein harter Job - ich bewundere sie sehr.“ Vor einem Jahr hat er noch einmal geheiratet. Seine Frau Astrid Falkenau war in München seine Mitschülerin, hat später bei vielen Filmen mitgewirkt und sich als Theaterpädagogin einen Namen gemacht. „Sie spielte damals die Nina in Tschechows Möwe, und ich war begeistert von ihr. Wir hatten uns dann viele Jahre aus den Augen verloren, bis sie irgendwann in der Süddeutschen Zeitung eine Kritik zu einer Mannheimer Aufführung las und mich anrief. In einem langen Theaterleben schließen sich halt immer wieder die Kreise."

Dienstag, 25.02.2014

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