Viktor Weiss - kultur Nr. 16 - 4/2005

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Victor Weiss - Die ”Geschlossene Gesellschaft” und ”Der Kontrabass”

Im Januar 2005 feierte das Bonner Euro Theater Central ein Jubiläum, das ihm einen Spitzenplatz in der Liga der internationalen Rekordhalter sichert: die 800. Vorstellung von Sartres ”Geschlossener Gesellschaft”. Schon 1980, bei der Premiere in der Regie von Claus Marteau, hat Viktor Weiss die Rolle des Garcin gespielt. „Das war kurz vor Sartres Tod“, erinnert er sich. „Dass ich's dann ein Viertel Jahrhundert lang in seiner Hölle aushalten würde, habe ich mir damals natürlich nicht träumen lassen.“ Die Inszenierung wurde ein Dauerbrenner und läuft immer noch vor meist ausverkauftem Haus. „Wahrscheinlich sind wir insgesamt bald schon bei der 1000. Aufführung“, ergänzt Gisela Pflugradt-Marteau, die das Theater gemeinsam mit Claus Marteau gründete und seit dessen Tod im Herbst 1995 leitet. „Claus war ein großer Fan der existenzialistischen Philosophie und hat das Werk bereits 1970 - damals noch auf unserer Bühne im ‚Igel' - und 1976 in unserem jetzigen Haus am Mauspfad inszeniert. Den Durchbruch brachte jedoch seine neue Bearbeitung Anfang 1980. „Viktor Weiss ist der einzige in dem Vier-Personen-Stück, der seitdem dabei ist. „Übertreib aber bitte nicht”, sagt er bescheiden, „ich habe trotzdem nicht alle 800 Vorstellungen gespielt, weil ich mal zwei Jahre lang aus gesundheitlichen Gründen aussetzen musste.“
Tatsachlich alle Vorstellungen seit 1987 gespielt hat er den ”Kontrabass” von Patrick Süskind in der Regie der Theaterchefin. Am 26. März findet die 600. Aufführung dieses weiteren Repertoire-Dauerbrenners statt. „Schade, eine Arbeit, die ich genauso gern mochte, nämlich ‚Die Sternstunde des Josef Bieder', brachte es leider nicht auf solche Rekordzahlen. Vielleicht war das doch zu sehr was für Theater-Insider.” - „Stimmt, aber Du warst in dieser Rolle immerhin der absolute Star bei der großen Matinee ‚Theater fürs Theater', die wir 1993 in den Kammerspielen veranstaltet haben.”
Ein bisschen Selbstironie schwingt ständig mit, wenn Weiss aus seinem langen Theaterleben berichtet, auch wenn er richtig wütend werden kann über die Auswüchse des so genannten Regie-Theaters und den Verlust der klassischen Sprachkultur. „Man hört nicht mehr wirklich auf den Text, versucht alles irgendwie beliebig zu aktualisieren und landet dann allzu oft bei einem faden Einheitsbrei.” Er ist Schauspieler geworden, weil er sich auf fremde Figuren, Zeiten und Gesellschaftsformen einlassen und dabei gerade die Differenzen zum gewöhnlichen Alltag deutlich machen wollte.
Aufgewachsen ist er in Augsburg und studierte nach dem Abitur an der renommierten Otto-Falckenberg-Schule in München. Zu seinen Lehrern gehörten Theatergrößen wie Hans-Christian Blech, Siegfried Lowitz, Peter Lühr und Charles Regnier. Tief beeindruckt hat ihn Fritz Kortner, der damals viel an den Münchner Kammerspielen inszenierte. „Man muss das Publikum auch unterhalten, damit man es packen und ihm die Wahrheit ins Gesicht sagen kann” - das war das Credo, das er dem jungen Schauspieler mit auf den Weg gab.
Nach dem Abschluss der Ausbildung führten ihn erste Engagements nach Schleswig und Saarbrücken, bevor er unter der Intendanz von Karl Pempelfort bei den Städtischen Bühnen Bonn landete, die damals noch im alten Bürgerverein residierten. Acht Jahre lang gehörte er hier zum Ensemble und erarbeitete sich ein umfangreiches Rollen-Repertoire, auch wenn er mit seiner schlanken, eleganten Erscheinung für den jugendlichen Liebhaber geradezu prädestiniert war. Besonders gern erinnert er sich an die Komödie ”Was kam denn da ins Haus” von Lope de Vega, die 1959 die Herzen des Bonner Publikums eroberte, oder an Anouilhs ”Einladung ins Schloss”, wo er 1963/64 die Doppelrolle der Zwillinge Horace und Frédéric spielte. Gesungen hat er damals auch, z.B. den Prinzen Orlofsky in der ”Fledermaus” - „natürlich nicht als Mezzosopran, aber selbstverständlich ohne Mikro!!”
Weitere Stationen waren das Kölner Schauspiel, die Kammerspiele Düsseldorf und die Schaubühne Berlin. Dort hat angesichts der politischen und künstlerischen Turbulenzen sein Glaube an das Theater einen Knacks bekommen mit dem Resultat, dass er in Köln noch einmal studierte, um Volksschullehrer („eins der berühmten Mikätzchen”) zu werden. Den Beruf mit den Hauptfächern Deutsch, Musik und Sport hat er viele Jahre ausgeübt. „Ich war gern Pädagoge, auch mit 40 Kindern in der Klasse.” Nebenbei hat er immer wieder als Radiosprecher gearbeitet. Vor allem seine Schulfunksendungen zur Musik haben ihm großen Spaß gemacht. „Schade, dass es dieses Format beim WDR längst nicht mehr gibt. Ich konnte diese Sendungen wunderbar im Unterricht einsetzen”, seufzt er.
Zur Bühne zurückgezogen hat es ihn dennoch wieder. Seit 1977 hat er in fünfzehn Produktionen am Euro Theater mitgewirkt. Fast 250 Mal war er der George in Albees Psycho-Schlacht ”Wer hat Angst vor Virginia Woolf?”. Auch den Krapp in Becketts ”Das letzte Band” und den Professor in Ionescos ”Unterrichtsstunde” hat er in bester Erinnerung „bestimmt nicht nur, weil wir uns in dem absurden Ionesco-Stück schon 1983 getraut haben, kurz einen nackten Busen zu zeigen…”
Verheiratet ist er seit 30 Jahren mit der Schauspielerin Elisabeth Gruber, die er bereits in seiner Zeit am Bonner Stadttheater kennen gelernt hatte. Sie blieb in Bonn und war dort auch unter den Intendanzen von Hans-Joachim Heyse und Peter Eschberg oft in großen Rollen zu sehen.
„Dass ich mal Lehrer war, erzähle ich eigentlich gar nicht so gern“, meint Weiss am Schluss noch. „Es ist ein Skandal, welch schlechtes Image dieser Beruf durch unbedachte politische Äußerungen bekommen hat. Dabei leisten die Pädagogen trotz aller bürokratischen Hemmnisse ungeheuer viel. Nebenbei, meine langen Erfahrungen bei der Vermittlung von klassischer Musik fließen ein bisschen auch in den ‚Kontrabass' ein. Nicht nur, weil ich einen Kapellmeister von einem Konzertmeister unterscheiden kann…“
Einen Abend mit kritischen und heiteren Texten von Erich Kästner hat er sich selbst zusammengestellt und bereits einige Male im Euro Theater präsentiert: „Für Jugendliche und Erwachsene - und ganz ohne pädagogischen Zeigefinger!“

Dienstag, 25.02.2014

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