Susanne Blattert - kultur Nr. 14 - 2/2005

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Susanne Blattert - Vom Folk zu Händel und Tschaikowski

Für Hosenrollen scheint die hoch gewachsene, gertenschlanke Mezzosopranistin geradezu prädestiniert zu sein. „Na ja, für mein Stimmfach gibt's da halt eine Menge", wiegelt Susanne Blattert gleich ab. Sehr sportlich sieht sie aus in Jeans und klobigen Schnürstiefeln. „Schade, Sport treibe ich leider viel zu selten, aber bei "Cosi fan tutte" durfte ich für die Video-Einspielung ja wenigstens mal schwimmen gehen…"
Zum Gespräch in der "Hausbar" ist sie schon am frühen Morgen aus Alfter gekommen, wo sie mit ihrem Mann - Thomas Adamsky ist Klarinettist im Kölner Gürzenich-Orchester - und den beiden Töchtern (6 und 2 Jahre alt) wohnt. Um 11 Uhr beginnt die Probe zu Tschaikowskis "Eugen Onegin". Knapp drei Wochen vor der Premiere von Silviu Purcaretes neuer Inszenierung wird noch in Beuel gearbeitet, erst in einigen Tagen geht es auf die große Bühne im Opernhaus. Sie singt die junge kokette Olga; diese Rolle hat sie vor einigen Jahren auch schon in Köln - unter James Conlon - und in Essen gespielt. Mit Purcarete arbeitet sie zum ersten Mal und freut sich schon auf das Ergebnis: „Er sagt klar, was er will, lässt einem im Einzelnen aber viel Gestaltungsfreiheit." Sie lacht kurz: „Na ja, mit dem Sagen ist das so eine Sache. Auf der Probebühne herrschen momentan fast babylonische Verhältnisse. Keiner versteht alle Sprachen, die da durcheinander tönen. Unser Dirigent Roman Kofman kann sich mit einigen Kollegen auf Russisch unterhalten, unser rumänischer Regisseur spricht am liebsten Französisch, mit Peter Danailov, unserem bulgarischen "Eugen Onegin", rede ich Italienisch, manche Hinweise wandern durch mehrere Sprachen. Glücklicherweise ist unser polyglotter Regieassistent Mark Daniel Hirsch auch ein tüchtiger Übersetzer. Nur gesungen wird allein auf Russisch."
Babylon als historischer Ort geht ihr natürlich auch aus aktuellem Anlass durch den Kopf. Zu Weihnachten wurde Händels "Belsazar" wieder aufgenommen. Susanne Blattert spielt in Dietrich Hilsdorfs glänzender Inszenierung den persischen König Cyrus. „Das ist keine Partie, die einem so zufällt", gesteht sie. „Wir haben viele Stunden lang daran geprobt. Es war nicht einfach, mich als Frau in die zwiespältige Persönlichkeit dieses machtbewussten jungen Mannes hinein zu versetzen. Die Musik ist wunderbar, aber meine Stimme darf ja nicht zu weich und weiblich klingen. Bei der Premiere im Mai 2003 bekam diese Aufführung zudem plötzlich einen erschreckend aktuellen politischen Bezug durch den Irak-Krieg, der mich noch mal ganz anders über die Rolle nachdenken ließ." Die großen Händel-Oratorien sind inzwischen für sie ein Fixpunkt geworden. Im "Saul" war sie die sanfte, junge Königstochter Michal; im April wird sie im "Jephta" als dessen Gattin Storgé zu erleben sein - wieder mit dem bewährten Team Dietrich Hilsdorf am Regie- und Jos van Veldhoven am Dirigentenpult.
Die Karriere als Opernsängerin war der gebürtigen Freiburgerin nicht in die Wiege gelegt. „Das Singen kam für mich irgendwie zwangsläufig, auch wenn ich in meiner Schulzeit nie Gesangsunterricht hatte, sondern nur Geige und Gitarre gespielt habe", erzählt sie. „Mit 8 Jahren habe ich angefangen, öffentlich zu singen, hab mich bei irgendwelchen Festen einfach auf einen Stuhl gestellt und Kinderlieder geschmettert. Mit 12 war ich ein absoluter Fan von Joan Baez, hab ihre Lieder nachgesungen und bin auf internationalen Folk-Festivals aufgetreten. Ein Bekannter hat heimlich ein Demoband an CBS geschickt. Der damalige Manager der Schlagersängerin Alexandra hat mir - ich war gerade 13 - tatsächlich einen vollen Fünfjahresvertrag angeboten. Eine Single habe ich dann aufgenommen. „Ein schneeweißer Stein" hieß der extra für mich geschriebene Song. Die Studioatmosphäre war aufregend, aber das glamouröse Schlagergeschäft hat mich und meine politisch engagierten Freunde eher abgestoßen, und auf der Bühne halb Play-back zu singen, fand ich unangenehm und fremd." Die lukrative Kinderstar-Karriere wurde also kurzerhand abgebrochen.
Nach dem Abitur folgte ein einjähriges Praktikum in der Psychiatrie mit dem Ziel Musiktherapie. „Nach drei Monaten habe ich aber beschlossen, den Gesang in den Vordergrund zu stellen, auch wenn ich noch zwischen Volksmusik und Klassik schwankte. Mit der Oper hatte ich mich bis dahin überhaupt nicht beschäftigt. Es waren Platten von Teresa Berganza, die mir zum ersten Mal eröffnet haben, was man alles mit der Stimme machen kann. Ich habe intensiven Gesangsunterricht genommen und mich an fünf Musikhochschulen beworben. Ich hatte ein Riesenprogramm von Bach bis Wagner vorbereitet. In Freiburg und Hamburg bekam ich auf Anhieb einen Studienplatz."
Sie hat sich für den Norden entschieden und an der Hamburger Hochschule für Musik und darstellende Kunst bei Judith Beckmann zunächst vor allem Liedgesang studiert und sich bald immer mehr für das Musiktheater interessiert. Philipp Himmelmann, in dessen Bonner "Cenerentola" sie später die Titelrolle gesungen hat, studierte zur selben Zeit in der Regieklasse. Mit seinen Studienkollegen hat er damals die "Zauberflöte" erarbeitet; Susanne Blattert war der "Zweite Knabe". Nach ihrem erfolgreichen Studienabschluss wurde sie direkt in Gelsenkirchen engagiert. Der "Hänsel" in Humperdincks Märchenoper und die Titelrollen in Händels "Alcina" und Rossinis "Cenerentola" waren dort ihre ersten großen Partien. Nebenbei legte sie in Hamburg noch ihr Konzertexamen ab, besuchte Meisterkurse für Lied-Interpretation bei Christa Ludwig und Hermann Prey, gewann Preise bei internationalen Gesangswettbewerben in Würzburg, Stuttgart und Toulouse.
Seit 1997 ist sie Ensemble-Mitglied der Bonner Oper. Große Mozartpartien wie Cherubino, Idamante und Dorabella hat sie sich hier erarbeitet. Gesungen hat sie außerdem an zahlreichen renommierten Opern- und Konzerthäusern unter vielen berühmten Dirigenten: Glucks "Orfeo" z. B. in Bregenz und Budapest, den Romeo in Bellinis "I Capuleti e i Montecchi" in Mannheim und Wuppertal, die Rheintochter Wellgunde in Wagners "Ring" in Frankfurt unter Silvain Cambreling, seit dem vergangenen September den Oktavian im "Rosenkavalier" als Gast in Aachen. Und schon über 60 Mal ihre Lieblingsrolle, die Rosina in Rossinis "Il Barbiere di Siviglia", außer in Bonn auch in Essen, Düsseldorf, Hannover und Kopenhagen.
Seit einem Jahr widmet sie sich verstärkt dem Konzertgesang. In Birmingham trat sie unter dem Dirigenten Thomas Hengelbrock auf; Bachs "Matthäuspassion" in Köln unter Markus Stenz ist eine weitere Station, eine Tournee durch Frankreich mit der "Johannespassion" mit Peter Schreier als Dirigent ist geplant. Viel Zeit für Hobbys bleibt da nicht. „Ich reise gern und wandere mit Begeisterung allein durch fremde, große Städte. Glücklicherweise können wir Musiker aber auch viel zu Hause arbeiten, und oft helfen die Großeltern bei der Betreuung unserer Kinder. Übrigens: Was mir Riesenspaß macht, ist etwas ganz altmodisch Weibliches. Stricken! Die Kinder mit warmen Pullovern und Schals bestricken. Das entspannt total, und man sieht sofort ein Ergebnis."

Dienstag, 25.02.2014

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