Simona Furlani - kultur Nr. 6 - 4/2004

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Simona Furlani - Eine Tänzerin mit vielen Facetten und Picassos Dora Maar

Die dunkelblonde Italienerin mit dem markanten Gesicht und dem hellwachen Blick ist ein Energiebündel und freut sich, dass sie in Bonn als Ensemblemitglied des Choreographischen Theaters jetzt noch mehr Eigenes machen kann als bei ihren früheren Engagements. „Hier stehen so viele Türen offen, das Publikum ist neugierig, und wir wollen ihm mit unseren vielen Ideen entgegen kommen. Komisch, in Berlin, wo ich jetzt sieben Jahre lang an der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz gearbeitet habe, war vieles komplizierter und fraß einfach mehr Energie."
In Florenz und in Reggio Emilia hat Simona Furlani ihre Tanzausbildung absolviert, gleichzeitig Architektur studiert und daneben Pantomime-, Schauspiel- und Gesangskurse besucht. 1990 ist sie nach Deutschland gekommen und dort auch geblieben. Ihre Fähigkeiten als Tänzerin und Sängerin hat sie anfangs als Musical-Darstellerin unter Beweis gestellt. Vier Jahre lang war sie vor allem in diesem Fach am Stadttheater Bielefeld engagiert.
Nach einem halben Jahr in Bonn gibt sie zu, dass sie sich am Rhein noch einleben muss und bis jetzt viel zu wenige Arbeiten der hiesigen Kollegen gesehen hat. „Gerade die freie Tanzszene hier interessiert mich brennend, zumal ich einige Tänzer noch aus Freiburg kenne." Dort gehörte sie zwei Jahre lang zum Ensemble von Pavel Mikuláštik, dem sie dann aber nicht nach Bonn folgte, sondern 1996 zu Johann Kresnik an die Berliner Volksbühne wechselte. Dort war sie in all seinen Produktionen dabei, hat auch bei seinen großen Schauspiel-Inszenierungen z.B. in Hamburg und Dresden wichtige Rollen übernommen, bei den letzten Salzburger Festspielen in seinem umstrittenen „Peer Gynt" mitgewirkt und pendelt sowieso immer zwischen allen Theaterformen. An der Volksbühne hat sie mit Jugendlichen aus Ost- und Westberlin 2002 „Die Legende vom Glück ohne Ende" (nach Plenzdorfs „Paul und Paula“) inszeniert und dabei die Glücksvorstellungen junger Menschen erforscht. 2003 folgte - wieder mit Schülern - „Tattoo", eine Studie über Jugend und Gewalt, die großes Aufsehen erregte. In Hannover spielt sie gegenwärtig die Eurydike in Sophokles' „Antigone". „Eigentlich wollte ich gar nicht mehr so viel reisen, aber die erfolgreiche Inszenierung ist in die neue Saison übernommen worden…“
Internationale Luft schnuppern wollte die in Pesaro an der Adriaküste geborene Künstlerin aber immer schon, natürlich auch, weil es für Allround-Talente wie sie in Italien, das sich von der aktuellen europäischen Theaterszene leider etwas abgekoppelt hat, wenig Entfaltungsmöglichkeiten gibt.
Die hat sie in Kresniks Compagnie gefunden. „Er hat einen hohen Respekt vor der Individualität seiner Tänzer, auch wenn die Ensemble-Arbeit und das Gesamtbild im Vordergrund stehen und es selten eine direkte Zuordnung eines Darstellers zu einer fest umrissenen Figur gibt. Seine Stücke zwingen einen dazu, sich ständig mit der Rolle und mit dem eigenen Leben auseinander zu setzen, sich quasi dauernd selbst neu zu erfinden."
In „Picasso" sind gerade die Frauenfiguren doch klar definiert. Simona Furlani spielt - ganz in Schwarz - die Dora Maar. Diese eigenwillige Künstlerin war 28 und schon eine renommierte Fotografin, als sie den 54jährigen Maler kennen lernte und dann sieben Jahre lang, von 1936 bis 1942, an seiner Seite lebte. „Ich habe mich intensiv mit dieser politisch entscheidenden Zeit beschäftigt und mit den privaten Verletzungen, die Picasso dieser Frau zufügte, bis sie immer mehr dem Wahn verfiel. Wir haben für ihre beginnende Verrücktheit, von der sie sich nie wieder ganz erholte, obwohl sie ja noch bis 1997 gelebt hat, surreale, verstörende Bilder gesucht."
Bei „Frida Kahlo" ist Furlani erst später in eine schon fertige Konzeption eingestiegen. Sie spielt dort das verträumte Kind „Frieda", dann das selbstbewusste junge Mädchen, das frech in Männeranzüge schlüpft, und später die verzweifelte, betrogene Ehefrau, die ihren körperlichen Leiden irgendwie standhält. Gerade die eher lyrischen Passagen ihrer Rolle - die anderen Facetten der Figur werden von zwei weiteren Tänzerinnen verkörpert - faszinieren sie besonders: „Ich untersuche den Schmerz mit meinem eigenen Leib und versuche mit meinem Kopf trotzdem Abstand zu halten."
In ihrem Kopf bewegen sich in diesem Frühjahr noch drei ganz unterschiedliche andere Projekte. Erst mal hat sie die Choreographie für das erste Familienstück des Theaters Bonn, „Pettersson, Findus und der Hahn", übernommen. Die Dreharbeiten zu einem Film über den mittelalterlichen französischen Komponisten Pérotin haben vor ein paar Wochen begonnen. Über dessen Biografie ist fast nichts bekannt, aber in der letzten Zeit wurde seine Musik als einer der ersten Höhepunkte der europäischen Mehrstimmigkeit neu entdeckt und insbesondere vom Hilliard-Ensemble auf CDs publiziert. „ Wahrscheinlich kommt von denen der Sound-Track. Es wird eine Mischung aus Dokumentar- und Tanzfilm. Es gibt zwei komplementäre Marienfiguren, eine weiße und eine schwarze. Diesmal tanze ich übrigens die weiße, unbefleckte. Bei den ersten Aufnahmen ganz allein in einem leeren Raum, die Bilder werden später elektronisch mit Licht und Effekten aufgearbeitet. Ich bin gespannt auf das Ergebnis, das irgendwann dieses Jahr im Fernsehen zu sehen sein wird."
Ein anderes Projekt, bei dem sie selbst Regie führt, liegt nicht nur historisch erheblich näher: „Hollywood vor Gericht" hat am 25. März in der Werkstatt-Reihe „Reality Bit(e)s" Premiere. Es geht um die berüchtigten McCarthy-Prozesse in den USA zu Beginn der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, die sich besonders gegen Künstler und Intellektuelle richteten. Bertolt Brecht gehörte zu den berühmtesten Angeklagten vor dem Untersuchungsausschuss gegen ‚antiamerikanische Umtriebe'. Er wird auch (gespielt von Bernd Braun) eine Figur sein in dem Stück, das Simona Furlani mit einem Dutzend Schauspielern und Tänzern aus dem Bonner Ensemble erarbeitet hat. „Es ist eine Studie über die Mechanismen von Denunziation und Einschüchterung. Es erschreckt mich wirklich, dass dieses Thema jetzt nach einem halben Jahrhundert wieder so aktuell geworden ist. Aber es ist ungeheuer aufregend, daran mit so vielen Kollegen aus den verschiedenen Sparten dieses Theaters zu arbeiten. Es ist überhaupt toll, dass so etwas hier möglich ist, obwohl die Kollegen ja alle auch in vielen anderen Produktionen beschäftigt sind und sich eigentlich in ihrer Freizeit dem brisanten Stoff widmen müssen."
Simona Furlani tanzt immer auch mit dem Kopf. In dem stecken so viele Ideen von dem, was sie als Regisseurin und Choreografin noch machen möchte, dass vorläufig für wenig anderes Raum ist. Gibt es eigentlich noch ein Privatleben außerhalb des Theaters? „Komische Frage; ich kann darauf nur antworten: Selbstverständlich ja und ebenso selbstverständlich nein. Aber klar: Es ist schon denkbar, dass ich irgendwann mal eine Familie jenseits der Bühne haben möchte. Auf Sicherheit habe ich aber noch nie gesetzt."

Dienstag, 04.03.2014

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