Roland Riebeling - kultur 37 - 5/2007

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Roland Riebeling - Kleine Fluchten vom verteufelten Herzog zur Fernseh-Comedy

Wenn Roland Riebeling in Bonn eine Premiere hat, sitzt fast immer sein ehemaliger Deutschlehrer Norbert Weber im Publikum. Der hat nämlich die Theaterleidenschaft des 1978 in Essen geborenen Arbeiterkindes geweckt. „Er hat mich zwar immer vor dem Schauspielerberuf gewarnt, aber aus seinen Schultheatergruppen sind noch mehrere andere Theaterprofis hervorgegangen. Außerdem hat er in Bonn Germanistik studiert. Muss aber ein paar Jahre vor dir gewesen sein.“ Schon als kleiner Junge hatte Roland eine seiner Schultheateraufführungen gesehen und wollte unbedingt an das Gymnasium in Essen-Steele, wo Weber unterrichtete. „Ich habe ihn so lange bekniet, bis er uns schon im 6./7.Schuljahr Theater spielen ließ.“ Roland ist an seiner Schule in vielen Rollen aufgetreten; besonders gern erinnert er sich an den Wladimir in Warten auf Godot, den er mit 17 Jahren verkörperte.
Nach dem Abitur absolvierte Roland seinen Zivildienst bei einer evangelischen Kirchengemeinde, gab Konfirmandenunterricht und arbeitete in der Obdachlosen- und Sozialberatung. „Das war ein wichtiges Jahr mit vielen neuen Erfahrungen.“ Lehrer für Latein und evangelische Religion oder Pfarrer gehörten zu seinen Berufswünschen, die evangelische Landeskirche gewährte ihm ein Stipendium für das Studium der Theologie oder Theaterwissenschaft. „Um mir später keine Vorwürfe zu machen, bewarb ich mich trotzdem an der nächstgelegenen Schauspielschule.“ Wider Erwarten wurde er tatsächlich an der Westfälischen Schauspielschule Bochum sofort genommen und schloss dort 2001 sein Studium mit dem Diplom ab. In Bochum lernte er Patryzia Ziolkowska kennen, die er später als Kollegin in Bonn wiedertraf. Inzwischen arbeitet sie als freie Schauspielerin in Berlin. „Sie war eine Klasse über mir und hat mir damals - wie das in Bochum üblich war - meine Schultüte gepackt und einen Spruch hineingelegt, den ich heute noch jeden Tag anschaue: Da keine Anstrengung ausreicht, dass ein Mensch fliegen kann, muss es ohne Anstrengung geschehen. Sehr wahr!“
Am Bochumer Schauspielhaus prägte ihn die Intendanz von Leander Haußmann und ab 2000 unter Matthias Hartmann machte Roland seine ersten professionellen Bühnenerfahrungen. Noch während der Ausbildung engagierte ihn Hartmann als Gast für eine Hauptrolle in Ferdinand Bruckners Früchte des Nichts, eine Inszenierung von Christian Schlüter, die über zwei Spielzeiten auf dem Programm blieb. Es folgte u. a. ein Gast­engagement in Oberhausen unter dem damaligen Intendanten Klaus Weise. Roland spielte eine der drei Kakerlaken in Weises Inszenierung von Sibylle Bergs Herr Mautz, die 2004 auch in den Bonner Kammerspielen zu sehen war.
Als Weise zur Spielzeit 2003/04 die Generalintendanz in Bonn übernahm, gehörte Roland schon zum Bonner Schauspielensemble. 2002 trat er unter der Intendanz von Arnold Petersen hier sein erstes festes Engagement an. „Die Zusammenarbeit mit den in Bonn gebliebenen Schauspielern aus der Ära von Manfred Beilharz war für mich eine phantastische Lehrzeit, in der ich handwerklich und künstlerisch viel für mich aufbauen konnte. Dass ich dann gleich ein Jahr später mit einem neuen Ensemble und einer anderen Auffassung von Theater konfrontiert wurde, ist für meine Entwicklung sicher ein Glücksfall.“ In seiner ersten Bonner Saison spielte er im Supermarkt Hys­terikon mit, war an der Seite von Birte Schrein ein skurriler junger Tomas in Klaras Verhältnisse und vor allem äußerst eindrucksvoll der Soldat in Volker Löschs Inszenierung von Sarah Kanes Zerbombt.
Unter Klaus Weise spielte er in dessen Inszenierungen von Marina Carrs Ariel den Sohn Stephen, in Racines Phädra den jungen Hippolytos und den aus dem Ruder laufenden Kindskopf Walter in Karst Woudstras Würgeengel. Er glänzte in der vergangenen Spielzeit als schleimiger Wurm in Schillers Kabale und Liebe (Regie: Matthias Kaschig), als sensibler jugendlicher Peter in Gorkis Die Letzten (Regie: Markus Dietz) und als intriganter versoffener Sebastian in Shakespeares Sturm (Regie: Stefan Otteni). In der laufenden Spielzeit hat's ihn ins medizinische Fach verschlagen: Als todkranker Doktor Rank in Ibsens Nora (Regie: Klaus Weise) und als durchgeknallter Neurologe Penfield in Mightons Mögliche Welten (Regie: Christoph Roos). In der erfolgreichen Werkstatt-Produktion Helter Skelter von Neil LaBute ist er in der deutschsprachigen Erst­aufführung von Ich mag dich wirklich der gewitzte Alleinunterhalter und vermutliche Lustmörder. Und in Websters Weißen Teufeln (s. Kritik auf S. 5) der zynische Herzog von Brachiano, der seiner Lust ziemlich brachial zum Opfer fällt. „Außerdem ist's meine erste Vaterrolle, wenn auch nur bedingt beispielhaft.“ Er mag diese zwiespältigen Figuren zwischen Komik und Tragik, die strahlenden jugendlichen Helden sind eher nicht sein Fall. „Liebe und Tod machen den Menschen aus und überfordern ihn dauernd. Sich damit als Schauspieler auseinandersetzen zu dürfen, ist wirklich ein besonderes Privileg.“
Für die Werkstatt-Reihe Reality Bit(e)s hat er gemeinsam mit seinen Schauspielkollegen solch vertrackte Kostbarkeiten konzipiert wie das schrille Heartbreak Hotel und den Ausflug in die soeben wieder aufgenommene schlagerselige Verwöhnkultur, bei der er gemeinsam mit Nicole Kersten und dem Musiker Martin Erdmann deutsches Liedgut im Selbstversuch testet.
Film und Fernsehen haben seine Originalität längst entdeckt. Er hat in etlichen erfolgreichen Krimis mitgespielt und bekam inzwischen zweimal (2004 und 2006) den Deutschen Comedy-Preis als Mitglied im Darsteller-Team der Sketch-Show von Mensch Markus. Die TV-Angebote sind es, die ihn jetzt zum Abschied vom Theater Bonn veranlasst haben. Im Sommer stehen Dreharbeiten an: „Der Luxus langer Proben, bei denen ich an der Erfindung möglichst perfekter Figuren mitwirken kann, ist ein Geschenk, das man einfach annehmen muss.“ Außerdem schreibt er für Sat 1 am Drehbuch zu einer zwölfteiligen Sit-Com (zentrale Rollen spielen außer ihm Markus Profitlich - übrigens 1960 in Bonn geboren - und Volker Büdts), die Menschen mit hohem Wiedererkennungswert in einem Stadtviertel auf die Suche nach dem kleinen Glück schickt. Dass das Theater mit all seinen Hexereien und Glücksmomenten dabei vorkommt, darf ich schon mal verraten.
Dass Roland Riebeling ein Faible für Krawatten hat, ist ohnehin kein Geheimnis: „Sie sind das einzige herrlich nutzlose Kleidungsstück, das uns Männern noch geblieben ist. In Bonn fühlte ich mich anfangs als Typ aus dem Ruhrpott immer so underdressed, dass ich mit Anzug und Krawatte einfach mein Selbstbewusstsein stabilisieren musste.“ Roland zieht demnächst mit seinem Lebensgefährten Peter Reinelt in seine alte Wahlheimat Bochum zurück. „Das wunderbare Bonner Publikum werde ich vermissen.“ Vor der heutigen Abendvorstellung will er noch schnell eine kräftige Suppe kochen und bei Birte Schrein vorbeibringen, die am Tag zuvor (3. April) einen munteren Sohn zur Welt gebracht hat.

Dienstag, 25.02.2014

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