Raphael Rubino - kultur Nr. 15 - 3/2005

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Raphael Rubino - Der Feuerwehrmann, die Boyband und der nette Junge von nebenan

„Dass ich jetzt in Bonn Büchners ”Woyzeck”” inszeniere, liegt nicht zuletzt an Raphael Rubino; schon vor ein paar Jahren habe ich mir genau ihn in der Titelrolle vorgestellt“, erzählt der Regisseur Stefan Otteni beim Tee in der Hausbar. Die Proben in Beuel - Premiere ist Anfang März in den Kammerspielen - laufen Ende Januar schon auf Hochtouren. „Dieser Woyzeck steckt all die Quälereien weg, nimmt die absurden Demütigungen auf seine breiten Schultern, bis es irgendwann explodiert. Er ist in meinem Regieansatz längst nicht so debil wie seine Widersacher, eigentlich eher der nette Junge von nebenan, dem keiner einen geplanten Mord zutraut.“
In Oberhausen haben die beiden sich kennen gelernt. Unter Ottenis Regie spielte Rubino den zynischen Stabshauptmann Soljony in Tschechows ”Drei Schwestern”, der von der jungen Irina zurückgewiesen wird und ihren Bräutigam im Duell tötet. In Bonn war er in Ottenis erfolgreicher Inszenierung von Schillers ”Jungfrau von Orleans” der Bastard Graf Dunois. Lore Stefanek stand dort gemeinsam mit ihm auf der Bühne; in Oberhausen hat er mehrfach mit ihr als Regisseurin gearbeitet, war in ihren Inszenierungen von Lessings ”Minna von Barnhelm” der tüchtige Wachtmeister Werner und in Hauptmanns ”Ratten” der ungeratene Bruder Bruno. Letztes Jahr spielte er in ihrer hervorragenden Interpretation von Sperrs ”Jagdszenen aus Niederbayern” in der Halle Beuel den homosexuellen Außenseiter Abram, der im Affekt das Dienstmädchen Tonka umbringt. Im weißen Anzug war er der attraktive junge Mann, der sich gegen die Anfeindungen mit naivem Selbstbewusstsein behauptete, bis die sozialen Provokationen eskalierten. „Nein, der junge proletarische Underdog und Bösewicht vom Dienst bin ich eigentlich nicht, obwohl die Rolle des Abram schon eine Menge mit dem Woyzeck zu tun hat, auch wenn die Motivation zum Mord dort ganz anders ist. In Büchners Drama läuft das mit geradezu irrsinnigem Tempo auf das schreckliche Ende zu, bei dem der kleine Soldat Woyzeck ja nicht irgendeine Frau ersticht, die ihn an sich fesseln will, sondern das Liebste, was er hat“, erklärt Rubino. Es ist übrigens keineswegs seine erste Beschäftigung mit diesem Autor. Büchners an der Welt verzweifelnden Dichter ”Lenz” und den munteren Diener Valerio in der vertrackten Komödie ”Leonce und Lena” hat er bereits verkörpert.
Seinen Einstand in Bonn gab Rubino auf der Werkstattbühne als Feuerwehrmann Mario im skurrilen ”Männerhort”-Quartett von Kristof Magnusson, eine Rolle, die ihm auf den kräftigen Leib geschrieben zu sein schien. „Gut, bei diesem sympathischen Superproll konnte ich schon einige Beobachtungen aus meinem heimatlichen Ruhrpott einfließen lassen, auch wenn mein Mario sich immer einen Kick jenseits der Schwelle zur komischen Übertreibung bewegte.“
Geboren wurde Raphael Rubino 1971 in Essen. In der Familie interessierte man sich eher für Technik als für traditionelle Kultur. Raphael glänzte als Schüler in Mathe und Physik - „das hat mein gutes Abi gerettet, Theater kam damals in meinen Leben überhaupt nicht vor.“ Das Physikstudium wurde trotzdem nur ein kurzes Intermezzo, weil es ihn bald zur Bildenden Kunst zog. Seine Bewerbung an der Düsseldorfer Kunstakademie - erst noch mit dem Schwerpunkt Malerei - war erfolgreich, von 1991 bis 1993 studierte er dort u. a. bei Markus Lüpertz. „Ich habe dann vor allem Rauminstallationen gemacht, verrückte Sachen wie Supermärkte, wo man nichts kaufen und Wohnungen, in denen man nicht leben konnte“. Von da aus führte ein direkter Weg zur Bühnenbildassistenz am Essener Grillo-Theater, wo er vor allem bei dem bekannten Ausstatter Wolf Münzner die Theaterwelt kennen lernte. Die hat ihn so fasziniert, dass er auch die Schauspielerei ausprobieren wollte. In Bochum, Hannover und Graz hat er sich spontan beworben. In Bochum wurde er so kurzfristig zum Vorsprechen eingeladen, dass er ganz schnell aus dem Libretto von Humperdincks Oper ”Hänsel und Gretel”, bei deren Ausstattung er gerade mitarbeitete, den Text der Hexe einstudierte. Offenbar überzeugend, denn sowohl dort als auch an der Leine und in Österreich bot man ihm einen der heiß begehrten Studienplätze an. Er entschied sich für Graz: „Ich wollte einfach mal weg aus dem engen Dunstkreis, und diese Stadt gefiel mir am besten.“ Im letzten Studienjahr stand er schon regelmäßig auf der Bühne. In Hamburg hatte er Gastengagements am Schauspielhaus, am Thalia-Theater und auf Kampnagel: „Die 17-stündigen Bahnreisen zwischen Graz und Norddeutschland waren ziemlich anstrengend, aber ein Segen fürs Textlernen.“
Das erste feste Engagement von 1997 bis 1999 folgte in Stendal am Theater der Altmark. Dann zog es ihn zurück ins heimatliche Ruhrgebiet. Er bewarb sich in Oberhausen, weil er das Theater dort besonders jung und lebendig fand. Der Intendant Klaus Weise übernahm ihn sofort in sein Ensemble. Rubino lernte dort neben vielen anderen Regisseuren auch Kay Voges kennen, der in Bonn den ”Männerhort” und Brechts ”Arturo Ui” (Rubino ist der zwielichtige Gangster Giuseppe Givola) höchst erfolgreich auf die Bühne brachte. Mehrfach spielte er auch unter der Regie von Christoph Roos, der gegen Ende der laufenden Saison in den Kammerspielen Horvàths ”Jüngsten Tag” herausbringen wird. „Der Rod in seiner Inszenierung von Sarah Kanes ”Gesäubert” war sicher meine härteste Rolle - weniger weil ich da das Opfer brutaler Quälereien spielen musste, sondern weil mich das Stück selbst bis in meine Träume verfolgt hat.“
Ab und zu gesungen hat er schon in Oberhausen, aber zur Leidenschaft wurde das erst, als die vier Jungs vom ”Männerhort” im Oktober 2003 die Boyband ”MannMannMannManns” gründeten, die in Bonn längst eine große Fangemeinde hat. „Die Auftritte machen uns allen immer einen Riesenspaß. Besonders toll war unser Konzert gemeinsam mit dem Damenchor der Oper.“
In Bonn ist Rubino ohnehin dauernd im Einsatz. Zu sehen war er z.B. auch noch als robuster Werner in Sartres ”Die Eingeschlossenen von Altona”. Neben der großen Rolle im ”Arturo Ui” und den Proben zu ”Woyzeck” spielt er in den ”Tintenaugen” von Arlette Namiand den Jungen, der in die hermetische Welt der beiden Schwestern hereinschneit. „Die seltsamen Engelsflügel, die ich da trage, passen doch ganz hübsch zu meinem biblischen Vornamen, obwohl ich ja sonst nicht gerade eine ätherische Erscheinung bin.“

Dienstag, 25.02.2014

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