Ekaterina Klewitz - kultur 66 - Mai 2010

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Ekaterina Klewitz: Leiterin des Kinder- und Jugendchors am Theater Bonn

Auf die Bonner Theaternacht am 29. Mai freuen sich ihre über 100 jungen Sängerinnen und Sänger schon wieder ganz besonders. Beim letzten Mal haben sie in der Werkstatt das begeisterte Publikum mitgenommen auf eine musikalische Europareise. „Es hat ihnen Riesenspaß gemacht. Sie lieben Konzerte, bei denen sie die Bandbreite ihres Könnens zeigen dürfen. Sie spüren ihr Niveau und sagen mir manchmal, dass sie es gern präsentieren möchten, wenn ich gerade noch darüber nachdenke.“ Ekaterina Klewitz’ blaue Augen strahlen, wenn sie von ‚ihren’ Kindern und ihren Leistungen erzählt. „Für ein Konzert studieren wir immer mehr ein, als wir tatsächlich auf der Bühne zeigen. Ich versuche, ein Programm zusammenzustellen, bei dem alles klanglich und spielerisch zueinander passt und wir unsere gemeinsame Freude vermitteln.“ Lieder aus der Chinesischen Nachtigall und Szenen aus der Schwarzen Spinne sind eingeplant, aber auch Stücke aus dem bekannten französischen Film Die Kinder des Monsieur Mathieu und vielleicht auch Pergolesis Stabat Mater: „Das ist zwar ein ernstes, sakrales Werk, aber einfach wundervolle alte ‚Gesangsmusik’, die junge Menschen stets neu fasziniert.“
Am 6.Juni folgt ein großes Jugendopernprojekt in der erfolgreichen Reihe „Bobbys Klassik“ unter der Leitung von Thomas Hornickel, dem Konzertpädagogen des Beethovenorchesters Bonn. Der englische Ba­­rock­­komponist Henry Purcell hat seine berühmteste Oper Dido und Aeneas 1689 ausdrücklich für junge Stimmen komponiert. Eine tragende Rolle übernimmt der von Ekaterina einstudierte Jugendchor des Theater Bonn mit seinen Solisten. Karten für die Premiere in der Zentrale der Deutschen Telekom sind jetzt schon knapp.
Eigentlich sind es drei Chöre, mit denen Ekaterina arbeitet, seit sie 2007 als Nachfolgerin von Florian Pestell die Kinderchorleitung an der Bonner Oper übernahm. Der Vorchor besteht aus ca. 30 Mädchen und Jungen zwischen 6 und 10 Jahren, die regelmäßig 60 Minuten in der Woche umfassend auf spätere Auftritte in Opernproduktionen vorbereitet werden. „Viele Kinder haben sich so toll entwickelt, dass wir uns an das musikalisch anspruchsvolle Kindermusical Die chinesische Nachtigall von Andreas Schmittberger heranwagen konnten. Ich hatte Glück, dass ich das Stück zusammen mit der Tänzerin und Choreographin Bärbel Stenzenberger auf die Beine stellen konnte. Die Geschichte nach einem Märchen von Hans Christian Andersen erzählt von der wunderbaren Kraft der Musik. Märchen sind sowieso ein großer Schatz, in dem man immer Neues entdeckt. Außerdem erkunden sie den Umgang mit den Grenzen zwischen Gut und Böse, manchmal auch den mit schmerzhaften Enttäuschungen. Für einige Kinder ste­cken da ganz persönliche Erfahrungen drin, die sie bei einem Musiktheaterprojekt spielerisch verarbeiten können.“ Die Chinesische Nachtigall erlebte nach der Premiere im vergangenen November zahlreiche ausverkaufte Aufführungen.
Begabung und Lust sind das Wichtigste, Notenlesen, Gesangstechnik und Arbeitsdisziplin allerdings Voraussetzung, um zum Vorsingen für den Hauptchor zugelassen zu werden. Der hat ca. 50 Mitglieder zwischen 10 und 16 Jahren, probt regelmäßig zweimal 90 Minuten pro Woche und wirkt bei den großen Opernaufführungen mit. In der laufenden Spielzeit z.B. bei Hänsel und Gretel und La Bohème. Im Jugendchor singen ca. 20 junge Erwachsene zwischen 16 und 23 und opfern dafür mindestens zweimal zwei Wochenstunden. Im Tannhäuser waren sie zu hören und im Rigoletto eher zu sehen.
Kurz vor den Premieren und den Konzerten vervielfachen sich natürlich die Probenzeiten. „Lange bevor die Regie dazukommt, besprechen wir die Stücke und Charaktere, überlegen uns gemeinsam Situationen, Bewegungen und Gesangsfarben. Das Gesamtergebnis soll professionelle Qualität haben.“
Ekaterina ist streng aus künstlerischer Leidenschaft und davon überzeugt, dass „Wer viel tut, auch mehr schafft: Jedes Kind ist von Anfang an eine ernst zu nehmende Persönlichkeit mit riesigem Potenzial. Wir bieten vielen jungen Menschen eine kos­tenlose Ausbildung, die ihnen in allen zukünftigen Berufen wertvoll sein kann.“ Die verkürzte Gymnasialzeit und die Ganztangsschule sieht sie deshalb skeptisch: „Man müsste die Arbeit im Chor stärker anerkennen und in das grundsätzlich richtige OGS-System integrieren. Proben mit müden Kindern ab 18.00 Uhr sind keine Lösung. Es ist schade, wenn wir deshalb Talente verlieren.“
Ekaterina, geboren 1971 in Moskau, erinnert sich gern an ihre Ausbildung: „Meine Lehrer waren stark und manchmal mit ihrer Kritik sehr direkt. Aber man spürte die Liebe dahinter.“ Von 1978 bis 1986 ging sie auf die Moskauer Staatsmusikschule. „Freizeit neben den ‚normalen’ Unterrichtsfächern, Klavier und Ballett- und Eiskunstlauftraining gab es kaum. Die Hausaufgaben wurden zwischendurch erledigt. Es war anstrengend, aber vor allem anspornend.“ Auf die Ausbildung an der Mos­kauer Musikfachhochschule Gnesini im Fach Dirigieren folgte von 1990 bis 1995 (ab 1991 als Prokofjew-Stipendiatin) ein Studium am Staatlichen Tschaikowsky-Konservatorium (Dirigieren, Klavier und Gesang). „Toll war, dass ich sehr früh Theorie und Praxis verbinden konnte und im Studium Pädagogik, Kinderpsychologie und szenische Reflexion genauso wichtig waren wie musikalische Kompetenz.“ Von 1989 bis 1999 bewies sie ihr Talent als Dirigentin, Korrepetitorin und Klavierbegleiterin an mehreren renommierten Moskauer Opernstudios und Akademien und danach als fest angestellte Chorleiterin und Dirigentin u. a. an der Moskauer Theatermusikschule „Junost“.
Während des Studiums hatte sie den Sänger Andrey Telegin kennen gelernt, der von 2001 bis 2008 zum Ensemble der Oper Bonn gehörte und jetzt als freiberuflicher Bass an diversen deutschen Opernhäusern arbeitet. Mit ihm zog Ekaterina Telegina 1999 nach Karlsruhe und später nach Bonn, wo sie anfangs als Korrepetitorin tätig war. Den Künstlernamen Klewitz hat sie von ihrer Mutter übernommen, einer Dolmetscherin und begeisterten Opernfreundin. Deren deutsche Vorfahren wanderten unter Zar Peter dem Großen nach St. Petersburg aus. Ekaterina spricht fast akzentfrei Deutsch, besteht aber darauf, dass ihre beiden Kinder Russisch nicht nur reden, sondern auch lesen und schreiben können. Daniel wurde in Ekaterinas geliebter Heimatstadt Moskau geboren, Victoria kam in Bonn zur Welt.
Für die nächste Spielzeit bereitet sie mit ihren jungen Sängern schon die Auftritte in Carmen und Wildschütz und zwei neue Kinderopern vor. Zahlreiche Auszeichnungen hat sie für ihre Kinderchor-Arbeit in Bonn eingeheimst. In zahllosen großen Opernvorstellungen waren ihre Kids eingesetzt und erarbeiteten daneben eigene Produktionen. Die Uraufführung von Prinzessin Süssüsan und Der Felsenjunge wurden zu Meilensteinen des jungen Musiktheaters in Bonn.
Zu den schönsten Erlebnissen für Ekaterina und ihre Kinder gehörte die Mitwirkung beim vom WDR am 24.Dezember 2009 live aus Köln übertragenen Weihnachtskonzert, bei dem der Kinderchor zusammen mit dem WDR-Rundfunkchor und dem WDR-Sinfonieorchester Arthur Honeggers Weihnachtskantate präsentierte. Wegen des großen Erfolges ist für Mai 2011 bereits die Mitwirkung bei einem neuen WDR-Projekt geplant. Zuvor feiert am 23. Dezember 2010 der Bonner Opernchor, der seit 1997 von Sibylle Wagner geleitet wird, mit einem Festkonzert sein 75-jähriges Bestehen. Dass der von Ekaterina Klewitz herangezogene Nachwuchs jetzt schon an seiner musikalischen Gratulation feilt, ist Ehrensache.

Dienstag, 25.02.2014

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