Dr. Bernhard Helmich - kultur 99 - Oktober 2013

Dr. Bernhard Helmich | Generalintendant THEATER BONN
Dr. Bernhard Helmich | Generalintendant THEATER BONN

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Dr. Bernhard Helmich: Neuer Generalintendant am Theater Bonn

Am 1. August hat Dr. Bernhard Helmich sein neues Amt in Bonn angetreten. Anfang September sieht sein helles Intendantenbüro in der Oper noch ziemlich provisorisch aus. Das mehr oder weniger edle Mobiliar spiegelt die Geschmäcker diverser Vorgänger. Helmich wäre auch mit einer schlichteren Einrichtung zufrieden. „Das ist hier kein schicker Film-Set“, sagt er lachend, „sondern ein Arbeitsraum“. Helmich freut sich sichtlich darauf, dass es nun richtig losgeht und dass er seine Leute nicht mehr nur zwischen Tür und Angel trifft.
„Die Amtsübergabe durch Klaus Weise und sein Team war entgegen anders lautenden Gerüchten völlig störungsfrei und konstruktiv.“ Ebenso angenehm fand er seinen Abschied aus Chemnitz, wo er sieben Jahre lang einen Fünfspartenbetrieb (Oper, Schauspiel, Ballett, Orchester und Figurentheater) als Generalintendant leitete. Zu seinen Aufgaben gehörte dort auch die Geschäftsführung, die er aber schon im April 2013 abgab. „Es war ein fließender Übergang ohne großes Abschiedsfest und ohne Resümee in Buchform. Ich fand so etwas auch überflüssig und schaue lieber nach vorn.“
Seine Chemnitzer Bilanz kann sich freilich sehen lassen. Trotz massiver Sparauflagen blieben alle Sparten erhalten. Insbesondere die Oper gewann überregionales Ansehen. Zwei Produktionen wurden mit dem renommierten Deutschen Theaterpreis „Der Faust“ ausgezeichnet: Die Liebe zu den drei Orangen in der Inszenierung von Dietrich Hilsdorf und das Ballett Giselle M., choreographiert von Stephan Thoss. Dieses Werk war 2009 in der Reihe der „Highlights des Internationalen Tanzes“ auch in Bonn zu erleben, allerdings mit dem Ballett des Wiesbadener Staatstheaters.
Für den Deutschen Theaterpreis nominiert wurde zudem Francis O’Connor für seine Ausstattung von Pinocchios Abenteuer des britischen Komponisten Jonathan Dove. Die Koproduktion mit der Oper Leeds feierte ihre deutsche Erstaufführung in Chemnitz und reiste kürzlich sogar nach Moskau. Ab dem 1. Dezember steht das Stück in Bonn auf dem Spielplan. „Die Familienoper ist in dieser Saison unsere aufwändigste Produktion“, erklärt Helmich, der damit auch ein Zeichen setzen will. „Glanz und Opulenz sind wichtig, um Publikum aller Generationen zu gewinnen. Auf die Jugend wollen wir noch stärker zugehen und arbeiten zusammen mit dem Beethovenorchester an einem Konzept, das aktuell noch den Namen ‚Sparte 4‘ trägt und sich demnächst konkretisiert.“
Mit dem Theatervirus dauerhaft infiziert wurde der 1962 in Idar-Oberstein geborene Bernhard Helmich in Wuppertal. „In meiner Schulzeit war das dortige Stadttheater für mich einfach der interessanteste Ort. Vor allem faszinierte mich das Tanztheater von Pina Bausch. Es war mir seitdem ohne jeden Zweifel klar, dass ich selbst Theater machen wollte.“ Er studierte Literatur-, Musik- und Theaterwissenschaft in Köln und Hamburg, wo er 1989 promoviert wurde. Musiktheater-Regie lernte er u.a. bei Götz Friedrich und übernahm Regieassistenzen an der Hamburgischen Staatsoper und an der Komischen Oper in Berlin.
Danach zog es ihn in die Ferne. Seine in Taiwan geborene Ehefrau Mai Hong Lin lernte er kennen, als sie an der Essener Folkwang-Schule bei Pina Bausch studierte. Von 1989 bis 1992 arbeitete Helmich am Opernstudio des Nationaltheaters Taipeh und als Dozent an der dortigen Katholischen Universität. „Meine chinesischen Sprachkenntnisse reichen für den Alltagsgebrauch, lesen kann ich’s kaum“, gesteht er. „Der rasante technologische Fortschritt verbunden mit stabilen Wurzeln in der Tradition hat mich in Taiwan beeindruckt.“ Helmichs Gattin ist inzwischen eine international bekannte Choreographin, leitete ab 2004 die Tanzsparte am Staatstheater Darmstadt (zwei ihrer dortigen Choreographien wurden für den „Faust“ nominiert) und ist seit dieser Spielzeit Ballettdirektorin im österreichischen Linz, wo im April 2013 ein fabelhafter Musiktheater-Neubau eröffnet wurde. „Ein tolles Haus“ schwärmt Helmich, der in Bonn jedoch erst mal die vorhandenen Spielstätten publikumsfreundlicher gestalten will.
„Selbstverständlich bin ich nicht gegen das Bonner Kulturkonzept, an dem ich ja mitgearbeitet habe. In den nächsten Jahren geht es vordringlich darum, überkommene Betriebsstrukturen sorgfältig den finanziellen Möglichkeiten anzupassen. Sparen durch Weglassen im künstlerischen Bereich bringt praktisch nichts. Besser ist es, mehr zu bieten durch engere Zusammenarbeit vor Ort und intelligente Kooperationen. Die Vorbereitung einer Fusion mit der Kölner Oper steht definitiv nicht in meinem Vertrag und auch nicht in irgendwelchen ‚Nebenabreden‘. Eine Hochzeit kann man ohnehin nicht einseitig planen.“ Der international erfahrene Musiktheater-Fachmann denkt weiträumiger und über nationale Grenzen hinaus. Besonders gern blickt er auf das aktuelle Opernschaffen in Großbritannien. „Die Komponisten schreiben so, dass man ihre Musik auch ohne Spezialstudium genießen kann.“ Deshalb beginnt er seine Intendanz mutig mit einem zeitgenössischen Werk, Written on Skin von George Benjamin (s. Vorschau kultur-S. 6). „Mit diesem Stück und Pinocchio haben wir die beiden bisher erfolgreichsten Opern des 21. Jahrhunderts im Programm“, sagt er nicht ohne Stolz und verrät sogar schon ein Projekt für die nächste Spielzeit: „Im Mai 2014 wird an der English National Opera in London die Oper Thebans von Julian Anderson uraufgeführt und feiert genau ein Jahr später ihre deutsche Erstaufführung.“ Dass es sich um eine Koproduktion mit der Oper Bonn handelt, kann man auf der ENO-Homepage bereits lesen.
Neben seiner Hauptaufgabe als Theaterleiter versteht sich Helmich als Dramaturg, der künstlerische Talente aufspürt und Bewährtes weiterentwickelt. Nach Engagements in Trier und Bielefeld arbeitete er als Chefdramaturg in Dortmund und Leipzig, bevor er als Generalintendant das Theater Chemnitz beharrlich nach vorne schob. Außer der Oper übrigens auch das Schauspiel. 2010 wurde es vom Magazin „Die Deutsche Bühne“ für die „Beste Gesamtleistung eines Theaters abseits der Zentren“ gelobt und im selben Jahr von „Theater Heute“ als „Theater des Jahres“ nominiert. Selbst inszenieren will Helmich ebenso wenig wie die neue Bonner Schauspieldirektorin Nicola Bramkamp: „Was andere besser können, muss ich nicht tun.“ Für die Regie möchte er keine „von der Presse hochgejubelten ‘Provinzschocker‘ mit kurzer Halbwertszeit“ engagieren, sondern vor allem interessante Köpfe. „Den grassierenden Unkenrufen vom Relevanzverlust der Stadttheater begegnet man am besten dadurch, dass auf den Bühnen genau das fantasievoll präsentiert wird, was unser Publikum wichtig findet und mit Lust wahrnimmt.“ In Bonn sind die Weichen für Helmichs erste Saison jetzt so gestellt, dass die Freude auf die gemeinsame Reise wächst.

Dienstag, 10.12.2013

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