Giorgos Kanaris - kultur 71 - 12/2010

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Giorgos Kanaris - Pantalon, Ping und Don Giovanni

Bei den Bühnenproben zu Irrelohe muss er mit seiner Stimme etwas haushalten, weil im herbstlichen Bonn das Klima gern mal Sängerkehlen angreift. Gut eine Woche vor der Premiere bevorzugt der junge griechische Bariton Giorgos Kanaris also Pfefferminztee statt Kaffee in der Hausbar. Direkt darüber, im vollbesetzten Opernfoyer, erhielt er am 18. Oktober 2010 den alle zwei Jahre zur Pflege des sängerischen Nachwuchses vergebenen Preis des Vereins der Bonner Opernfreunde. „Nach nur einer Saison im ersten festen Engagement gleich so gelobt zu werden, ist echt toll“, findet Giorgos, der sich auch sehr freut über die vielen Menschen in Bonn, die ‚ihre’ Oper und deren Ensemble lieben. „Nachdem ich die Opernfreunde kennengelernt habe und dann bei Ihrem runden Geburtstag in der Theatergemeinde auch eine hoch engagierte große Besucherorganisation, kommt es mir manchmal so vor, als ob im Publikum lauter Freunde säßen. Erfahrene und deshalb kritische Leute, die mit ihrer Liebe zum Musiktheater uns Künstler beflügeln. Im Sänger-Ensemble von den Kolleginnen und Kollegen mit offenen Armen aufgenommen und von den Menschen im Zuschauerraum begeistert akzeptiert zu werden, ist ein ganz besonderes Glück. Es macht aber manchmal auch ein bisschen Angst. Man gewinnt das Publikum nur, wenn man alles von innen gibt und sich eine Rolle ganz persönlich zu eigen macht.“
Am Flügel begleitet wurde er bei seinem Konzert zur Preisverleihung von seinem Bruder Apostolos Kanaris, der ebenfalls professioneller Musiker ist. Der ausgezeichnete Pianist und Sänger-Begleiter hat auch Gesang studiert und wirkt gelegentlich im Chor des Bayerischen Rundfunks mit. Als Susanna und Zerlina trat Alexandra Voulgari auf, die seit dieser Spielzeit zum Extrachor des Theater Bonn gehört. Die charmante, in Thessaloniki und München ausgebildete Sopranistin ist nicht nur auf der Bühne eine wunderbare Duettpartnerin von Giorgos, sondern im wirklichen Leben auch seine Gattin.
Musik spielte immer eine Hauptrolle in der Familie von Giorgos Kanaris, der 1979 in Athen zur Welt kam. Sein Vater war Musiklehrer an einem Gymnasium und leitete einen kirchlichen Kinderchor, in dem Giorgos mit 5 Jahren als Knabensopran anfing und dem er bis zum Ende seines Studiums treu blieb. Sein Vater gründete mit seinen drei Söhnen ein Gesangsquartett, das viele Konzerte gab und 1995 sogar in München gastierte, wo Giorgos und sein Bruder Apostolos später studierten. 2004 schloss Giorgos am Athener Konservatorium sein Gesangsstudium ab, das er sich als Mitglied des Athener Rundfunkchors finanziert hatte. Ab 2002 besuchte er Kurse bei dem Dirigenten und Musikpädagogen Helmuth Rilling und dem berühmten Bassbariton Thomas Quasthoff sowie bei dem Bariton Josef Metternich (1915 – 2005), dessen Weltkarriere übrigens 1935 im Bonner Opernchor startete.
2005 erhielt Giorgos beim „Grand Prix Maria Callas“ in Athen den Sonderpreis in der Kategorie Oratorium/Lied und wurde für verschiedene Konzerte mit Helmuth Rilling verpflichtet. Giorgos wollte freilich unbedingt nach München, um bei der großen griechischen Mezzosopranistin Daphne Evangelatos weiter zu lernen. Zu deren Schülern gehört auch Giorgos’ Freund und Landsmann Aris Argiris. Kennengelernt haben sie sich 1997 bei der Uraufführung der Kinderoper Momo nach Michael Ende von dem griechischen Komponisten Alkis Baltas. Aris sang eine Solopartie, Giorgos wirkte im Chor mit. „Gerade eben habe ich noch mit Aris in Frankfurt wegen Don Giovanni telefoniert.“ Bei der Wiederaufnahme von Klaus Weises Inszenierung der Mozart-Oper im Januar wird Giorgos die Titelrolle singen, in der zuvor Aris glänzte und in Bonn auch noch einmal gastieren wird. „Zwei Griechen in der Rolle des großen Verführers ist schon lustig. Imitieren werde ich Aris bestimmt nicht, obwohl ich hier ja in eine fertige Produktion einsteige. Man muss eine Theaterfigur immer mit der eigenen Stimme füllen.“
Seine erste große Rolle sang er an der Athener Oper auf Griechisch: den Grafen Robinson in Cimarosas Il matrimonio segreto. Das darstellerische Handwerk hat er sich erst in München gründlich erarbeitet. Denn 2007 erhielt er ein Stipendium für die zweijährige Ausbildung an der dortigen Musikhochschule. „Vorher habe ich privaten Deutsch-Unterricht genommen und Grammatik gepaukt. Die Sprache gut zu beherrschen, ist sehr wichtig. Besonders für den Liedgesang, der mir genauso viel bedeutet wie die Oper.“ Giorgos spricht Deutsch inzwischen völlig akzentfrei, baut in seine Programme aber auch gern Lieder von griechischen Komponisten ein, die in Deutschland eher unbekannt sind.
Großen Spaß gemacht hat ihm 2008 Glucks komische Oper Die Pilger von Mekka, in der er die Rolle des Calender verkörperte. Mit dieser Produktion der Theaterakademie am Prinzregententheater in der Regie von Vera Nemirova war er auch am Markgräflichen Opernhaus Bayreuth zu Gast. Sehr gefallen hat ihm während des Studiums außerdem eine Mozart-Produktion unter dem Titel Die Nacht, bei dem die jungen Sänger mit Schauspielern zusammenarbeiteten: „Das hat mir für die szenische Gestaltung viel gebracht.“ 2009 wirkte er in der Münchner Philharmonie und im Opernhaus Kairo zusammen mit seiner Frau in Orffs Carmina Burana mit.
Und plötzlich ging alles sehr schnell. Beim Abschlusskonzert seiner Klasse in München hörte ihn ein Agent und empfahl ihm ein Vorsingen in Bonn. Gleich seine allererste Bewerbung an einem Opernhaus war erfolgreich: Seit Beginn der Spielzeit gehört Giorgos zum festen Ensemble von Theater Bonn. Das Engagement hatte er also schon in der Tasche, als er im September 2009 den 2. Preis beim renommierten Gesangswettbewerb Schloss Laubach gewann und zudem noch den Sonderpreis des Beethovenfestes Warschau, wo er 2012 auftreten wird.
Dem Bonner Publikum vorgestellt hat er sich als zwielichtiger Massimo in Händels Ezio. Bei der Wiederaufnahme von Puccinis La Bohème sang er den Schaunard und ist jetzt in Puccinis Turandot als komischer Minister Ping zu erleben, dessen Sehnsuchtslied „Ho una casa nell’Honan“ für seinen lyrischen Bariton wie geschaffen scheint. Als Belcore in Donizettis L’Elisir d’amore, Höfling Pantalon in Prokofjews märchenhaft verspielter Liebe zu den drei Orangen und dandyhafter Kaiser Rudolph II. in d’Alberts Golem konnte er seine Vielseitigkeit beweisen.
Auf die kleine Rolle des Anselmus in Schrekers Irrelohe folgen im Dezember der Dancaïro in Bizets Carmen und im nächsten Jahr der „Don Giovanni“. In Lortzings Wildschütz wird er den Grafen Eberbach singen. „Als Anfänger sofort ein solch breites Spektrum zu bekommen, ist einfach fantastisch“, freut er sich. „Außerdem ist es schön, verschiedene Regie-Handschriften kennenzulernen. Ich mag Regisseure, bei denen man spielerisch selbst viel anbieten kann und nicht in ein fremdes Konzept gezwungen wird. Richtig lustig waren die ‚Orangen’-Proben mit Philipp Himmelmann. Klaus Weise ist sehr offen für Ideen, und Stefan Blunier ist ein wunderbarer Dirigent – voller Esprit und dabei extrem genau. Anfangs habe ich mich ein wenig davor gefürchtet, mit zwei ‚Generälen’ zu arbeiten. Aber bei den Proben sind die nur Künstler ohne alle ‚Chef-Allüren’.“ Die Liedkunst der deutschen Romantik möchte er neben dem Musiktheater auf jeden Fall weiter pflegen. Mit seiner berührenden Interpretation von Schumanns Dichterliebe hat er die Bonner längst für sich eingenommen.

Donnerstag, 08.12.2011

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