Adelheid Pohlmann - kultur 86 - Mai 2012

Elisabeth Einecke-Klövekorn trifft Adelheid Pohlmann: Kostümdirektorin am Theater Bonn

Seit mehr als einem Jahrzehnt ist Adelheid Pohlmann zuständig für die Kostüme aller Sparten am Theater Bonn. Angefangen hat sie hier unter der Opernintendanz von Giancarlo del Monaco als Kostümassistentin. „Diese Arbeit ist das Bindeglied zwischen den Künstlern und den Werkstätten. Man bespricht mit den Kostümbildnern die Entwürfe, versucht, die künstlerische Konzeption der jeweiligen Produktion zu erfassen und begleitet sie dann bis zur Premiere.“ Unter der Intendanz von Manfred Beilharz übernahm Pohlmann die Leitung der Kostümabteilung des Schauspiels, das damals noch eigene Werkstätten gegenüber vom Bühneneingang der Kammerspiele in Bad Godesberg unterhielt und seinen Kostümfundus auf dem Haribo-Gelände in Friesdorf hatte. Unter der Interimsintendanz von Arnold Petersen wurden die Kostümabteilungen von Oper, Tanz und Schauspiel zusammengelegt. Der Fundus und die Schneiderei fürs Schauspiel befinden sich auf dem Gelände der Halle Beuel, für die Oper gibt es eine eigene Kos­tümwerkstatt direkt im Haus. Pohlmann pendelt also regelmäßig zwischen ihrem Büro oben im Opernhaus und der Abteilung in Beuel.
Am Tag unseres Gesprächs war sie zumeist dort, weil die Anprobe der Kostüme für Kohlhaas anstand und noch Details für Gogols Revisor geklärt werden mussten, eine Koproduktion von Theater Bonn, dem Théâtre National du Luxembourg und den Ruhrfestspielen Recklinghausen. Dort hat die Inszenierung von Frank Hoffmann am 3. Mai Premiere. Ruhrfestspiel-Intendant Hoffmann, der unter Beilharz häufig in Bonn arbeitete, schätzt wie etliche andere Regisseure die Qualität der Bonner Werkstätten außerordentlich. Intensiv vorbereitet wird dort gegenwärtig auch die Schauspielpremiere Kirschgarten. Schon in Arbeit sind auch die Kostüme für die ers­ten Premieren in der Oper nach der Sommerpause.
Bei den Endproben sind die Kos­tümdirektorin und die zuständigen Gewandmeister immer dabei. „Man muss dann alles noch mal auf die räumliche Entfernung und die Lichtwirkungen hin überprüfen und manchmal korrigieren. Ein Stoff, der bei Tageslicht tiefschwarz aussieht, kann auf der Bühne plötzlich ganz anders wirken. Man braucht viel Materialkenntnis und sammelt mit der Zeit natürlich eine Menge Erfahrungen.“
In ihrem Arbeitszimmer in der Oper steht neben Stoffmusterbüchern ein riesiger Schrank mit säuberlich beschrifteten Schubkästen für Litzen, Fransen, Quas­ten und sonstigem Gewandschmuck. Gut 20 Scheiderinnen und Schneider sind derzeit für Oper und Schauspiel tätig. Vier Gewandmeister – zwei Damen und zwei Herren – betreuen alle Produktionen. „Das sind Schneidermeister, die neben ihrer handwerklichen Ausbildung auch über historische Kostümkenntnisse und künstlerisches Gespür verfügen müssen. Heutige Kostüme, die wie normale Gegenwarts-Outfits aussehen, sind übrigens viel schwieriger als historische, bei denen man freier arbeiten kann. Mit Kleidung, die dem Zuschauer aus seinem Alltag vertraut erscheint, ist eine Theaterfigur viel schneller als Typ festgelegt als mit Kostümen aus anderen Zeiten, die der Phantasie mehr Spielraum lassen.“
Die Beratung mit den Inszenierungsteams gehört für Pohlmann zum Spannendsten bei ihrem vielseitigen Beruf. „Ausgangspunkt ist immer das Regiekonzept. Manche Kostümbildner kommen schon mit fertigen Zeichnungen und detaillierten Figurinen für alle Akteure. Andere bringen nur atmosphärische Ideen mit, Zeitungsausschnitte, Fotos oder Vorstellungen von einer Gewebetextur, die wir dann gemeinsam konkret umzusetzen versuchen. Manchen genügt ein Stoffmuster von ein paar Quadratzentimetern, andere brauchen meterlange Stoffbahnen, um sich zu entscheiden. Einige lassen sich von fertigen Kostümen aus dem Fundus inspirieren, die wir ggf. neu färben, bedrucken oder sonstwie umgestalten. In dieser Saison müssen die Kostüme z.B. viel Wasser aushalten. Wenn viel Blut fließt, müssen die Sachen gut waschbar sein.“ Billige Klamotten von der Stange aus dem nächsten Kaufhaus sind im Theater kaum zu gebrauchen. „Sorgfältige Maßarbeit ist einfach notwendig, weil die Kostüme genau passen und viel aushalten müssen.“ Echte Pelze kommen gar nicht vor in Adelheid Pohlmanns Traumfabrik, zumal Imitate sich viel besser verarbeiten lassen. „Wenn wir teure Stoffe verwenden, müssen wir’s woanders wieder einsparen.“ Für jede Theater-Produktion gibt es einen festen Etat, mit dem sie kreativ rechnen muss und zusehen, dass die künstlerischen Wünsche in den zeitlichen und finanziellen Rahmen passen. „Zwei komplette Kostümsätze für Chor und Extrachor bei einer Oper sind nicht mehr drin. Das wäre abgesehen von dem geschrumpften Budget mit unserem Personal – die Zahl der Gewandmeister wurde in den letzten Jahren z.B. halbiert – gar nicht machbar.“ Die Probenkostüme stammen normalerweise aus dem Fundus. Aus dem sucht sie gelegentlich auch was raus für die beliebten Kostümversteigerungen beim Theaterfest und zu Karneval. „Manchmal blutet mir das Herz, wenn ich dran denke, wie viel Arbeitsstunden in einem Teil stecken, das dann für 50 Euro weggeht.“
Insgesamt 14 Ankleiderinnen und Ankleider, eine Garderobenmeisterin und zwei Auszubildende gehören zu ihrem Team. In der Oper sind oft viele Figuren auf der Bühne, für deren Kostümwechsel die Musik aber mehr Zeit lässt. Im Schauspiel müssen häufig sehr schnelle Umzüge direkt hinter den Kulissen bewerkstelligt werden. „Bei Merlin hatten wir in den Kammerspielen elf Kostüm-Wagen im Einsatz. Da muss jeder Handgriff sitzen. Bei der Jungfrau von Orleans haben in der Eile mal zwei unterschiedlich große Schauspieler ihre Hosen verwechselt und erschienen mit viel zu kurzen bzw. zu langen Beinkleidern. Wenn’s aussieht, wie gewollt und nicht wie passiert, ist sowas keine Katastrophe. Wenn unversehens Nähte platzen, Reißverschlüsse klemmen oder Knöpfe ein Eigenleben entfalten, möchte man als Kostümdirektorin aber am liebsten im Boden versinken.“
Die gebürtige Düsseldorferin, die bei ihren privaten Outfits gern mit subtilen Farbabstufungen spielt, lieber Röcke als Hosen trägt und robuste Stiefel hochhackigen Pumps vorzieht, interessiert sich für Mode nur insofern, als sie etwas über eine Persönlichkeit aussagt. Schon als Schülerin war sie begeisterte Theatergängerin. Die Schneiderei lernte sie von vornherein mit dem Gedanken, am Theater zu arbeiten und ihre handwerkliche Begabung mit einer künstlerischen Tätigkeit zu verbinden. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Gewandmeisterin, arbeitete als Schneiderin am Stadttheater Moers und dann in verschiedenen deutschen Städten als Kostümbildnerin in der freien Szene. Als sie gefragt wurde, ob sie eine Kostümassistenz an der Bonner Oper übernehmen wolle, lehnte sie zunächst ab, entschied sich dann aber doch für das feste Engagement (vertraglich eher im künstlerischen Bereich angesiedelt) und hat das nie bereut. „Der Beruf ist abwechslungsreich, fast alles ist Teamarbeit und sehr kommunikativ. Es macht Spaß, sich dauernd auf neue Ideen einzustellen und die Künstler zu unterstützen. Man kann eine Menge eigener Kreativität einsetzen. Ich möchte nichts anderes machen.“ In ihrer knappen Freizeit geht sie gern ins Kino oder besucht Theateraufführungen. „Ich hole mir dabei viele Anregungen. Ganz abschalten kann ich den professionellen Blick nie, wenn ich irgendwo privat im Zuschauerraum sitze.“ Frische Luft tankt sie gern beim Wandern, ihrem wichtigsten Hobby. Der schöne Blick auf den Rhein von ihrem Arbeitszimmer im Opernhaus liefert ihr dazu gute Anregungen.

Dienstag, 25.02.2014

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