Zimmermann, Bernd Alois (1918 - 1970)

aus kultur Nr. 63 - 2/2010

Der deutsche Komponist, der sich selbst einmal als den „Ältesten der sogenannten dritten Generation der neuen Musik“ bezeichnete, wurde vor allem durch seine Oper Die Soldaten international bekannt, die erst kürzlich (2006/07) in der Bochumer Jahrhunderthalle eine gefeierte Neuinszenierung erlebte.
Bernd Alois Zimmermann war das zweite von drei überlebenden Kindern aus der Ehe von Jakob und Katharina, geb. Broichheuser. Geboren in Bliesheim, das heute zu Erftstadt gehört, besuchte der vielseitig begabte Junge nach der Volksschule das Salvatorianerkolleg Kloster Steinfeld in der Eifel bis zu dessen Schließung 1936 durch die Nationalsozialisten. Dort lernte er nicht nur die antike Geisteswelt kennen, sondern erhielt durch Pater Gregor Niederer auch Anleitung im Orgelspiel auf der berühmten Barockorgel der Basilika. Am altsprachlichen Apostelngymnasium in Köln machte Zimmermann 1937 sein Abitur, danach wurde er für ein halbes Jahr zum Reichsarbeitsdienst eingezogen. Sein Studium begann er in Bonn, um Volksschullehrer zu werden; nach zwei Semestern wechselte Zimmermann zur Kölner Musikhochschule und studierte Schulmusik. 1939 wurde er zur Deutschen Wehrmacht einberufen und nahm als Pferdepfleger und Meldereiter am Polen-, Frankreich- und Rußland-Feldzug teil. Eine Vergiftung zog chronische Hauterkrankungen nach sich, sodass Zimmermann bereits nach drei Jahren beurlaubt wurde und bis 1944 Musikwissenschaft an der Universität Köln studierte. Nach Kriegsende setzte er sein Studium an der Musikhochschule fort und legte 1947 sein Schulmusikexamen ab.
Bereits in den letzten Kriegsjahren wurden erste Kompositionen Zimmermanns aufgeführt, seinen Lebensunterhalt verdiente er sich durch Arrangements von Unterhaltungsmusik für das Radio und das Schreiben von Musik für Schulfunksendungen und Hörspiele, später auch für Filme. 1948 besuchte er erstmals die „Darmstädter Ferienkurse für Neue Musik“ und arbeitete dort in Kursen bei Wolfgang Fortner und René Leibowitz.
1949 lernte Zimmermann seine Frau Sabine von Schablowsky kennen, die kurz zuvor ihr medizinisches Staatsexamen gemacht hatte. Sie heirateten im Altenberger Dom und bekamen insgesamt drei Kinder: Gereon, Bettina und Wimar.
Im Jahr darauf übernahm der Komponist für zwei Jahre eine Lektorenstelle für Musiktheorie am Musikwissenschaftlichen Institut in Köln. Es entstand sein erstes Werk in der Zwölftontechnik, das Violinkonzert, das aus der zuvor entstandenen Sonate für Violine und Klavier abgeleitet ist. In den frühen 50er Jahren erklangen die ersten Kompositionen Zimmermanns auch außerhalb Kölns. Seit 1953 beschäftigte sich der Komponist mit der seriellen Technik, die er jedoch nie orthodox verwendete.
1957 wurde Zimmermann als erster Komponist eingeladen, ein Studienhalbjahr in der neueröffneten „Villa Massimo“ in Rom zu verbringen; dieses Angebot nahm er später (1963) erneut wahr. 1958 wurde er - als Nachfolger von Frank Martin - Kompositionslehrer an der Kölner Musikhochschule und übernahm zusätzlich die Leitung des Seminars für Hörspiel-, Film- und Bühnenmusik. Im selben Jahr begann Zimmermann mit der Komposition seiner Oper Die Soldaten, deren Grundlage das Schauspiel von Jakob Michael Reinhold Lenz (1776) ist. Über die Differenzen einer Aufführbarkeit des Werkes entzweite sich Zimmermann mit dem Dirigenten Günter Wand, der bis dahin einer seiner wichtigsten Interpreten war. Die erfolgreiche Uraufführung der Oper fand erst 1965 statt.
Den Kompositionen seit etwa 1957 lag eine besondere Zeitvorstellung Zimmermanns zugrunde, die er als „Kugelgestalt der Zeit“ (s.u.) bezeichnete. Diese Theorie zog in der Praxis eine so genannte pluralistische Klangkomposition nach sich: Zimmermann kombinierte innerhalb eines Werkes verschiedene Verfahrensweisen und Stile. Dies realisierte er zum Einen durch Zitate aus anderen Musikstücken, beispielsweise von J.S. Bach oder aus dem Jazz. Zum Anderen verwendete er zugleich Sprache, Gesang, Instrumente, Bandmontagen, szenische und filmische Elemente. Besonders augenscheinlich setzte er dieses Verfahren in der Oper Die Soldaten um, die dadurch enorme personelle und musikalische Anforderungen stellt.
1960 erhielt Zimmermann den „Großen Kunstpreis des Landes Nord­rhein-Westfalen“. Zwei Jahre später wurde er zum Professor an der Kölner Musikhochschule ernannt. Mit seinem Freund Heinrich Böll plante er eine Kammeroper mit zeitkritisch-satirischem Inhalt zu schreiben, was jedoch nicht realisiert wurde. 1966 erhielt der Komponist den Kunstpreis der Stadt Köln. Im selben Jahr entstand das elektronische Stück Tratto, das Zimmermann als experimentelle Vorstudie zu der geplanten Oper Medea verstand. Nach der Fertigstellung des Requiem für einen jungen Dichter, in dem der Komponist Texte von Jessenin, Majakowsi und Konrad Bayer verwendete, die alle freiwillig aus dem Leben schieden, erlitt Zimmermann einen so schweren Zusammenbruch, dass er mehrere Monate in einer Nervenklinik verbrachte. Fünf Tage nach Vollendung seiner letzten Komposition Ich wandte mich und sah an alles Unrecht, das geschah unter der Sonne nahm sich Zimmermann in seinem Haus in Groß-Königsdorf bei Köln das Leben. E.H.

Lesetipps:
- Wulf Konold, Bernd Alois Zimmermann. Der Komponist und sein Werk, Dumont.
- Wulf Konold (Hrsg.), Bernd Alois Zimmermann, Dokumente und Interpretationen, Wienand Verlag.
Hörtipps:
- Edition Bernd Alois Zimmermann: Requiem für einen jungen Dichter; G. Bertini, Wergo
- Edition Bernd Alois Zimmermann: Présence / Intercomunicazione, Ensemble Recherche, Wergo.
- Edition Bernd Alois Zimmermann: Die Soldaten; von Gielen, Gabry, Synek, de Ridder, Gürzenich, Wergo.
- Das Klavierwerk; Tiny Wirtz, aulos.

Dienstag, 11.01.2011

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