Mahler, Gustav (1860 - 1911)

kultur Nr. 13 - 1/2005

Visionär und Despot - dieser Titel einer Porträtstudie über Gustav Mahler kennzeichnet treffend die Persönlichkeit des im mährischen Kalischt geborenen Komponisten jüdischer Abstammung. Als äußerst begabter Pianist studierte Mahler am Wiener Konservatorium Klavier und Komposition und schlug bald die Laufbahn eines Kapellmeisters ein, um seinen Lebensunterhalt zu sichern. In seinen in der Regel kurzen Anstellungen in dieser Position in Laibach, Olmütz, Kassel, Prag, Leipzig, Budapest, Hamburg, Wien und New York tritt ein Charakterzug Mahlers klar zutage: Seine Unerbittlichkeit sich selbst und anderen gegenüber, um im Dienste der Kunst ein qualitativ außerordentliches Ergebnis zu erzielen. Seine Aufführungen von Werken bekannter Komponisten, unter ihnen die Opern Richard Wagners, denen er sich in besonderem Maße verpflichtet fühlte, setzten neue Maßstäbe für Musiker, Dirigenten und das Publikum. Unzulänglichkeiten, die seinen hohen Ansprüchen im Wege standen, duldete Mahler nicht und suchte diese zu beseitigen - er scheute es nicht, Musiker reihenweise zu entlassen und war bekannt für seine enorme Probenarbeit. Widerstände von Seiten leitender Positionen waren verantwortlich für die gehäuft auftretende vorzeitige Beendigung seiner Anstellungen. Die längste Zeit - von 1897-1907 - war Mahler als Kapellmeister an der Wiener Hofoper tätig; hier leitete er auch für drei Jahre die Philharmonischen Abonnementskonzerte und führte eine (heutzutage selbstverständliche) Verdunkelung des Konzertsaales ein. Mahlers Ruf als Dirigent war jedoch nicht unumstritten und er sah sich immer wieder antisemitischen Äußerungen ausgesetzt. Dies mag einer der Gründe für seine Konvertierung zum katholischen Glauben im Jahre 1897 gewesen sein.
Durch seine berufliche Verpflichtung beschränkte sich Mahlers kompositorische Arbeit in der Regel auf die Sommermonate eines Jahres, in denen zehn Sinfonien (die letzte ist nicht vollendet), ”Das Lied von der Erde” und etliche Lieder, unter ihnen die ”Lieder eines fahrenden Gesellen”, die ”Kindertotenlieder” und die Lieder aus ”Des Knaben Wunderhorn” entstanden. Zu seinen Studienzeiten komponierte Mahler auch Kammermusik sowie Chor- und Bühnenwerke, von welchen jedoch lediglich der erste Satz eines Quartetts in a-moll und ”Das klagende Lied” erhalten sind.
Die Kompositionen Mahlers haben überwiegend eine poetische oder programmatische Grundlage, welche innere Gestimmtheiten, Charakterzüge und Weltanschauungen dieses Menschen offenbaren. Diese zeichnen sich vor allem durch ihre Widersprüchlichkeit aus - Tragik steht neben Banalität, das Leid der Welt steht der göttlichen Liebe gegenüber. Die Zwiespältigkeit des Lebens ist ein Hauptthema Mahlers; das Nebeneinander gegensätzlicher Charakterzüge ein Kennzeichen seiner Persönlichkeit. Diese Merkmale finden sich in seiner Musik wieder: Abrupte Stimmungswechsel, kühne Dissonanzen, Unentschiedenheiten des Tongeschlechts. In Mahlers Kompositionen teilt sich eine Unmittelbarkeit und Kraft mit, die den Hörer unweigerlich in ihren Bann zieht. Die Expressivität seiner Musik machte ihn zum Vorbild für viele moderne Komponisten, unter ihnen Anton Webern, Alban Berg und Arnold Schönberg; dieser sah Mahlers Kompositionen als Ausdruck einer Sehnsucht der Menschheit nach einer unsterblichen Seele. Im Alter von nur 51 Jahren starb der Komponist an einem Herzleiden. E.H.

Zum Nachlesen:
Constantin Floros, Gustav Mahler. Visionär und Despot, Arche.
Peter Revers, Mahler´s Lieder, Beck.
Wolfgang Schreiber, Mahler, Rowohlt.

Zum Nachhören:
Gustav Mahler, Symphonie Nr. 1, Lieder eines fahrenden Gesellen, Kubelik, Fischer-Dieskau, Deutsche Grammophon.
-, Symphonie Nr. 7, Abbado, Chicago Symphony Orchestra, Deutsche Grammophon.
-, Symphonie Nr. 9, Symphonie Nr. 10: Adagio, Abbado, Wiener Philharmoniker, Deutsche Grammophon.

Dienstag, 25.02.2014

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