Chopin, Frédéric (1810 - 1849)

aus kultur Nr. 54 - 2/2009

Juristisch gesehen besaß Chopin zwei Staatsbürgerschaften. Nach dem Code civil war er durch den Vater, der 1788 aus seiner Heimat nach Warschau übergesiedelt war, Franzose; als Bürger des Herzogtums Warschau – sein Geburtsort war Zelazowa Wola – war er gleichzeitig Pole. Mit 21 Jahren verließ Chopin Polen und lebte bis zu seinem Tode in Paris. Am Schicksal seines Geburtslandes nahm er Zeit seines Lebens großen Anteil.
Bereits mit drei Jahren spielte Chopin auf dem Klavier und hatte Freude daran, eigene Melodien zu erfinden. Die musikalische Hochbegabung wurde durch seinen ersten Lehrer Albert Zwyny gefördert; er setzte auf eine weitestgehende Selbstent­deckung der Möglichkeiten des Klaviers. Das Improvisieren zählte früh zu Chopins besonderen Stärken. Mit zwölf Jahren wurde Joseph Xaver Elsner sein Lehrer. Seinen ersten öffentlichen Auftritt als Wunderkind hatte er bereits 1818 in Warschau. Ihm folgten weitere während seiner Schul- und Studienzeit am Warschauer Konservatorium. Nach dem Abschluss seines Studiums im Jahre 1829 gab Chopin sein Konzertdebüt in Wien. Hier blieb er vom Ende des darauffolgenden Jahres bis zum Sommer 1831, bevor er schließlich nach Paris reiste, wo er für den Rest seines Lebens seinen Wohnsitz hatte.
In der französischen Hauptstadt machte er u.a. Bekanntschaft mit den Musikern Gioacchino Rossini, Franz Liszt, Hector Berlioz, Ferdinand Hiller und Friedrich Kalkbrenner. Sein erstes Konzert gab er dort 1832. Schlagartig berühmt wurde er aber erst durch ein Vorspiel bei einem Empfang im Salon Jacob de Rothschilds. Die Damen der „besseren Gesellschaft“ nahmen daraufhin bei ihm Unterricht, wodurch er seinen Lebensunterhalt sichern konnte und genug Freiraum zum Komponieren hatte.
Nach einer unglücklichen Liebe zu Maria Wodzinska, mit der er kurze Zeit verlobt war, lebte Chopin von 1838 bis 1847 mit der Schriftstellerin George Sand zusammen. Die Baronne de Dudevant geb. Amandine-Aurore-Lucile Dupin de Francueil, wie George Sand eigentlich hieß, verbrachte mit Chopin und ihren Kindern aus ihrer getrennten Ehe die Sommermonate auf dem Landgut Nohant im Berry, während sie die Wintermonate in Paris wohnten. Einen viermonatigen Aufenthalt der „Familie“ auf Mallorca 1838/39 hielt George Sand in dem Reisebericht „Un Hiver à Majorque“ (Ein Winter auf Mallorca) fest. Ihr Zusammenleben mit Chopin verarbeitete sie in dem Roman „Lucrezia Floriani“.
Chopin, der schon immer eine sehr zarte und schwache Konstitution hatte, zeigte seit 1835 die ersten Anzeichen einer schweren Lungenerkrankung. Auf einer Reise nach England und Schottland im Jahre 1848 gab er sein letztes Konzert, bevor er im Jahr darauf mit nur 39 Jahren an Lungentuberkulose starb. Sein Leichnam wurde auf dem Friedhof Père-Lachaise beigesetzt, während sein Herz auf eigenen Wunsch nach Warschau überführt wurde, wo es in einer Säule der Heilig-Kreuz-Kirche beigesetzt ist.

Obwohl Chopin seit dem ersten Erlebnis einer Oper mit fünfzehn Jahren (Rossinis Il Barbiere di Siviglia) ein begeisterter Fan dieser Musikgattung war, komponierte er fast ausschließlich Musik für Klavier solo. In 74 Opusnummern sind 165 Einzelwerke erfasst. Ein Dutzend weiterer Werke erschien ohne Opuszahl oder postum, einige Kompositionen sind unveröffentlicht.
Chopin schrieb zwei Klavierkonzerte, in denen das Klavier eindeutig im Vordergrund steht. Für Klavier allein komponierte er u.a. Sonaten, Balladen und Nocturnes, sowie Tänze, wie Walzer, Polonaisen und Mazurken. Der Gattung der Mazurken widmete sich Chopin besonders ausgiebig, siebenundvierzig Kompositionen wurden zu seinen Lebzeiten veröffentlicht, zehn postum. Die poetischen Nocturnes sind mit ihren Belcanto-Melodien für ihre Schönheit berühmt. Als besondere Meis­terwerke gelten die Berceuse Des-Dur op. 57 (1844) und Barcarolle Fis-Dur op. 60 (1846). Die zwei Sammlungen von je zwölf Etüden sind als Übungsstücke gedacht, die sich jeweils einer besonderen technischen Schwierigkeit widmen - durch ihre breite Ausdrucksskala sind sie aber gleichzeitig Konzertetüden großen Stils. André Gide schrieb über die Interpretation eines Werks von Chopin: „Es ist ein Spaziergang voller Entdeckungen, und der Ausführende darf keineswegs zu sehr den Eindruck machen, daß er schon von vornherein weiß, was er sagen wird, und daß alles schon aufgeschrieben ist.“

Als Interpret hat Chopin im Laufe seines Lebens kaum 50 öffentliche Konzerte gegeben. Laut Franz Liszt war er sich selbst bewusst, das sein Spiel nicht auf die Masse der Zuschauer wirkte; hinzu kam, dass er vor einer großen Zahl von Zuhörern unter großem Lampenfieber litt. Chopin war nicht der Star des großen Konzertsaals, sondern der privaten Salons der „besseren Gesellschaft“. Sein Vortrag war geprägt von größter Zartheit und Eleganz. Über die Modulationen in seinen Kompositionen glitt er laut Ignaz Moscheles „mit seinen zarten Fingern elfenartig leicht“ hinweg; „sein Piano ist so hingehaucht, daß es keines kräftigen Forte bedarf, um die gewünschten Kontraste hervorzubringen.“ Chopin zeigte eine besondere Art von Virtuosität, die sublim und nuancenreich war.
Heinrich Heine schrieb über den Künstler: „Ja, dem Chopin muß man Genie zusprechen, in der vollen Bedeutung des Worts; er ist nicht bloß Virtuose, er ist auch Poet, er kann uns die Poesie, die in seiner Seele lebt, zur Anschauung bringen, er ist Tondichter, und nichts gleicht dem Genuß, den er uns verschafft, wenn er am Klavier sitzt und improvisiert. Er ist alsdann weder Pole, noch Franzose, noch Deutscher, er verrät dann einen weit höheren Ursprung, man merkt alsdann, er stammt aus dem Lande Mozarts, Raffaels, Goethes, sein wahres Vaterland ist das Traumreich der Poesie.“ E.H.

Zum Nachhören:
- Piano Concertos Nos. 1&2, Polish Festival Orchestra, Krystian Zimmerman, DG
- Etudes, Maurizio Pollini, DG
- Rachmaninoff plays Chopin, Sonata No. 2, Ballade No. 3, Nocturnes, Waltzes

Zum Nachlesen:
- Jürgen Lotz, Frédéric Chopin, Rowohlt.
- Johannes Jansen, Frédéric Chopin, dtv
- Hans Werner Wüst, Frédéric Chopin, ClassicConcerts
- André Gide, Aufzeichnungen über Chopin, Suhrkamp

Mittwoch, 05.01.2011

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