Bizet, Georges (1838 - 1875)

kultur 71 - 12/2010

Wie bei kaum einem anderen Komponis­ten ist ein einziges musikalisches Werk mit seinem Namen verbunden: Georges Bizet und die Oper Carmen. Den weltweiten Erfolg dieses Werkes erlebte der französische Komponist jedoch gar nicht mehr mit, da er kurze Zeit nach der damals erfolglosen Premiere starb.
Bizet war als Sohn eines Gesanglehrers von klein auf von Musik umgeben. Seine Mutter, die selbst eine gute Pianis­tin war, brachte ihm das Notenlesen bei. Seine Eltern förderten die außergewöhnliche musikalische Auffassungsgabe des Jungen und seine starke pianistische Begabung. Noch vor seinem zehnten Geburtstag wurde er offiziell als Schüler des Conservatoire aufgenommen. Bizet gewann während seiner 10-jährigen Studienzeit mehrere Preise, wobei er sich hauptsächlich als Pianist und Organist auszeichnete. Erste Kompositionen - Gesangsetüden und kleine Klavierstücke - stammen aus dem Frühjahr 1850. Auf dem Conservatoire studierte er Komposition bei Pierre Joseph Guillaume Zimmermann bis zu dessen Tod 1853, danach wurde er Schüler Jacques Fromental Elie Halévys. Klavier lernte er vier Jahre lang bei Antoine François Marmontel, dann erhielt er Orgelunterricht von François Benoist. Der berühmte französische Komponist Charles Gounod förderte und unterrichtete ihn ebenfalls.
1854 gab Bizet einer Komposition die Opuszahl 1: dem Klavierstück Grande Valse de concert. Mit 17 Jahren komponierte er die Sinfonie C-Dur, deren Uraufführung aber erst postum 1935 in Basel durch Felix Weingartner erfolgte.
Bizet hegte während seiner Studienzeit bereits Pläne für ein Bühnenwerk und erstellte einen Klavierauszug der Opéra comique La Maison du Docteur. Bei einem von Jacques Offenbach ausgeschriebenen Wettbewerb gewann er 1857 mit der Operette Le Docteur Miracle. Im selben Jahr errang er den Prix de Rome, der einen mehrjährigen Aufenthalt in dieser Stadt ermöglichte. Der Komponist hielt sich dort zweieinhalb Jahre auf. Hier entstand u.a. die komische Oper Don Procopio, die zu seinen Lebzeiten jedoch nicht aufgeführt wurde. Erst nach der Jahrhundertwende entdeckte der Musikwissenschaftler Charles Malherbe dieses Werk wieder und brachte es 1906 in abgewandelter Form zu seiner Uraufführung.
1863 komponierte Bizet für das Théâtre Lyrique die Oper Les pêcheurs de perles. Von dieser Oper kam beim Verleger Choudens das Autograph abhanden. Erst 1975 konnte davon eine verlässlichere Version gespielt werden, nachdem Arthur Hammond fehlende Partiturteile nach dem Klavierauszug von 1863 rekonstruiert hatte. Die folgende Oper La jolie fille de Perth (1866) war ein achtbarer Erfolg bei Publikum und Presse. Die 1871 komponierte Oper Djamileh stellte Gustav Mahler 1898 in Wien einer breiten Öffentlichkeit vor, der Kritiker Eduard Hanslick attestierte diesem Werk damals eine „wohlthuende Harmonie und Stileinheit“. Bizets Oper über den spanischen Don Rodrigo blieb eine ausführliche Skizze.
1875 fand schließlich die Uraufführung seiner Oper Carmen statt, deren Textbuch auf einer Novelle Prosper Merimées basiert. Sie ist bis heute eine der weltweit meistgespielten Opern und wurde sogar in chinesischer und russischer Sprache eingespielt. „Es gibt kaum ein Werk in der Opernliteratur dieser Zeit, dessen Musik bis in die kleinsten harmonischen und dynamischen Details so ausschließlich für die Handlung und für den darstellerischen Ausdruck komponiert wurde wie Bizets Carmen“, so urteilt Walter Felsenstein. Die Oper zeichnet sich durch eine geschmeidige Melodik, vollendete Formkunst und lichte, aber wohlklingende Instrumentation aus. Bizets Gespür für Klangfarben und einen transparenten Orchestersatz kommen hier voll zur Geltung.
Nach der erfolglosen Uraufführung des Werkes in Paris verfasste Bizet schweren Herzens eine Neufassung des Werkes mit Rezitativen für eine Aufführung in Wien unter Franz von Jauner in deutscher Sprache. 1964 erschloss der deutsche Musikwissenschaftler Fritz Oeser die ursprüngliche Gestalt des Werkes. Oesers Edition ist dabei als Material-Angebot an die Ausführenden zu verstehen.
1869 heiratete Bizet die Tochter seines ehemaligen Lehrers, Geneviève Halévy. Neben Unterrichtsstunden verdiente Bizet seinen Lebensunterhalt auch mit der Komposition von Gebrauchsmusik: Es entstanden leichte bis mittelschwere Klavierstücke und klavierbegleitete Lieder. Die rund 40 Lieder waren als „mélodies“ oder „le lied“ in Frankreich sehr beliebt. Außerdem verfasste er Klavierarrangements und Salonorchester-Bearbeitungen von einzelnen Stücken aus fremden Opern.
Aus der Musik zu A. Daudets L’Arlésienne wurden die weltweit erfolg­reichen zwei Arlésienne-Suiten (s.u.), deren zweite jedoch nicht von Bizet stammt, sondern von Ernest Guiraud, nach dessen Tod zusammengestellt.
Eine herausragende Klavierkomposition sind die Variations chromatiques, die Bizet selbst 1871 bei einem seiner pianistischen Auftritte spielte. Gewidmet ist das Werk dem berühmten ungarischen Pianisten Stephen Heller. Glenn Gould nahm das Stück später für die Schallplatte auf, Felix von Weingartner instrumentierte 1933 eine Orches­terfassung dieses Werkes.
Aus fünf Sätzen der vierhändigen Klavierkomposition Jeux d’enfants entstand die Petite Suite für Orchester, die 1873 äußerst erfolgreich uraufgeführt wurde.
Wahrscheinlich an den Folgen eines Herzanfalls starb Bizet mit nur 36 Jahren, 4000 Menschen gaben ihm das letzte Geleit. Sein Grab, das mit einer Büste von Paul Dubois versehen wurde, ist auf dem Pariser Friedhof Père-Lachaise zu finden. E.H.

Lesetipps:
- Christoph Schwandt, Georges Bizet, Rowohlt.
- Winton Dean, Georges Bizet, Leben und Werk, DVA.

Hörtipps:
- Symphony in C, L’Arlésienne-Suites Nos. 1 & 2, Sir Thomas ­Beecham, EMI.
- Les Pêcheurs de Perles, Michel Plasson, EMI.

Montag, 21.03.2011

Zurück

Merkliste

Veranstaltung

Momentan befinden sich keine Einträge in Ihrer Merkliste.


Letzte Aktualisierung: 19.04.2024 18:01 Uhr     © 2024 Theatergemeinde BONN | Bonner Talweg 10 | 53113 Bonn